Holunder ist eine Wildobstsorte, die mit ihren großen Blüten und den auffälligen Beeren in den Frühlings- und Sommermonaten die heimische Landschaft herrlich akzentuiert. Er hat aber auch eine große Tradition und Bedeutung in der Lebensmittelproduktion und als Heilpflanze, was sich in zahlreichen Mythen und Legenden niederschlägt, die sich um ihn ranken.

Der schwarze Holunder (Sambucus Nigra), der in den meisten Fällen gemeint ist, wenn vom Holunder die Rede ist, wird in Bayern und Österreich auch Holler, in der Schweiz Holderbusch und in Norddeutschland Flieder genannt und ist ein Strauch oder Baum mit zwei Gesichtern. Im Winter wirkt das Moschuskrautgewächs durch sein stark verzweigtes, krummes, morsch wirkendes Geäst und seine mit warzenartigen Korkporen übersäte graubraune Rinde, als wäre er Tod. Ab Mai, wenn der Busch zu blühen beginnt und bis zu 30 cm große Schirmrispen ausbildet, beginnt seine Verwandlung vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan. Dann hüllt er sein raues Inneres in ein grün-weißes Kleid und beginnt Früchte auszubilden, die im unreifen Zustand zunächst grün sind, im Spätsommer zu reifen beginnen und dabei langsam rot und schließlich schwarz-violett werden.

Holunder gehört zu den am weitesten verbreiteten Straucharten in Mitteleuropa, was er zum einen seiner Widerstandsfähigkeit gegen Frost, Krankheiten und Schädlinge, zum anderen aber auch seiner Anspruchslosigkeit zu verdanken hat. Als Flachwurzler blüht er selbst auf den kargsten Böden noch üppig und man findet ihn sowohl auf Waldlichtungen und Wegrändern, als auch auf Schutthalden.

Traditionelle Verwendung

Die Äste des Hollers sind innen hohl und mit einem weichen, weißen Mark gefüllt, was sie in früheren Zeiten zu einem beliebten Spielzeug für Kinder machte. Denn ausgehöhlt eignen sich die Äste ganz hervorragend als Flöte oder Spuckrohr. Lädt man ein solches Spuckrohr dann auch noch mit den Beeren des Holunders, wird daraus eine von allen Müttern gefürchtete Waffe, denn Holunderbeerensaft bekommt man kaum mehr aus den Kleidern heraus. Deshalb wird er auch schon seit Jahrhunderten als natürliches Färbemittel für Textilien, Leder und Haare verwendet.

Nachdem er von chemischen Farbstoffen fast gänzlich verdrängt wurde, gewinnt er in den letzten Jahren wieder an Bedeutung, da die Skepsis gegenüber der Unbedenklichkeit solcher Färbemittel kontinuierlich zunimmt. Und so findet er heute nicht nur Anwendung in der Textilindustrie, sondern wird auch von der Lebensmittelindustrie als Farbstoff verwendet. Er eignet sich aber nicht nur zum Einfärben der unterschiedlichsten Lebensmittel, sondern verleiht vielen Gerichten und Getränken auch geschmacklich das gewisse Etwas. Er lässt sich zu Mus, Saft und Marmelade verarbeiten, seine Blüten lassen sich durch einen Pfannkuchenteig ziehen und anschließend in Fett ausbacken, aus den Beeren wird in Norddeutschland eine Fliederbeersuppe zubereitet und in roter Grütze kann er ebenso Bestandteil sein. Außerdem kann man ihn zu Sirup, Limonade, Wein oder Likör verarbeiten.

Eine große Tradition hat der schwarze Holunder aber auch als Heilpflanze. Als solche wird er bereits seit der Antike eingesetzt und gilt auch heute noch als eines der bekanntesten Volksheilmittel mit einem breiten Spektrum an Anwendungsgebieten. Verwenden lässt sich dabei fast alles von ihm: Blätter, Rinde, Wurzel, Blüten und Früchte. Die Blüten haben eine schweißtreibende Wirkung, weshalb sie vor allem bei Erkältungserkrankungen zum Einsatz kommen. Ihnen wird aber auch eine beruhigende, schmerzlindernde und leicht abführende Wirkung zugeschrieben.

Blätter und Blüten werden in der Homöopathie angewendet und dort als Schnupfenmittel für Säuglinge, bei Fieber, Übelkeit, Blähungen und Durchfall verordnet. Die Wurzel und die Rinde wirken harntreibend, weswegen sie gerne zum Entwässern empfohlen werden. Die Holunderbeeren sind reich an Vitaminen und sollen die allgemeinen Abwehrkräfte des Körpers stärken. Allerdings dürfen diese unter keinen Umständen roh verzehrt werden, da sie das leicht giftige Sambunigrin enthalten, das erst beim Erhitzen zerstört wird. Beim Verzehr der rohen Früchte droht daher eine Magenverstimmung mit Durchfall. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage als Heilpflanze, Lebensmittel und Farbstoff, wird er mittlerweile auch als Kulturpflanze angebaut; diese steht den Wildarten bislang aber in ihren gesundheitsfördernden und aromatischen Eigenschaften noch sehr nahe.

Mythen und Legenden

So weit die nackten Fakten. Mit diesen ist der schwarze Holunder aber bei weitem nicht hinreichend beschrieben, denn um ihn ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden. Schließlich war er für unsere Vorfahren nicht nur Heilpflanze und Lebensmittel, sondern auch der Wohnsitz von Geistern und Göttern. Aus diesem Grund war es in vielen Gegenden verboten Holundersträuche zu fällen, denn das bedeutete Unglück oder sogar den Tod. Ein Holunderbaum vor dem Haus schützt seine Bewohner dem Volksglauben nach vor bösen Geistern, verdorrt er jedoch, kündigt dies vom nahenden Tod eines Verwandten. Ein Mythos, der sich anhand der Bedeutung des Holunders als Hausapotheke erklärt, denn stand dieses Heilmittel nicht mehr zur Verfügung, drohte Krankheit oder im schlimmsten Fall sogar der Tod.

Bereits in der Mythologie der Kelten und Germanen spielte der Holunder eine Rolle. Den Kelten galt der schwarze Holunder als Schwellenbaum, der die Grenze zwischen der Erdoberfläche und dem Reich der Unterwelt zog und die Menschen damit vor dem Zugriff der im Erdinnern lebenden Wesen beschützte.

Der germanischen Hauptgöttin Holda, die als Vorlage der Frau Holle aus dem Grimmschen Märchen diente, gilt der Holunder als Lieblingsbaum. Deshalb brachten ihr die alten Germanen auch unter einem Holunderbaum ihre Opfergaben dar. Holda ist übrigens auch die Namenspatronin des Holunders. Die mythische Bedeutung des Holderbusches wird auch dadurch unterstrichen, dass Hexen und Zauberer angeblich bevorzugt Besen und Zauberstäbe aus dem Holz des Holunders nutzen. Ein Beispiel, das vielen geläufig sein dürfte, kommt aus der Welt von „Harry Potter“, dessen legendärer Elderstab, eines der drei Heiligtümer des Todes, aus Holunderholz gefertigt wurde.

Bildquellen: Frances Schlesier