Viele Mitteleuropäer denken bei Arabien sofort an abgehackte Hände, Steinigungen, unterdrückte Frauen, islamistischen Terror und grausame Diktaturen. Solche stereotypen Verallgemeinerungen sind selbstverständlich ohnehin problematisch – im Falle Jordaniens aber auch alles andere als zutreffend.

Jordanien ist sicher. Diesen Satz hörte ich auf meiner Reise durch das Land im Nahen Osten unzählige Male von meinen Gesprächspartnern. Die Worte wurden zu einem regelrechten Mantra. Der inflationäre Gebrauch dieser Losung weckte mein angeborenes Misstrauen, ließ mich an den Worten zweifeln. Dabei ist Jordanien tatsächlich ein sicheres Reiseland. Die Kriminalität ist traditionell niedrig, Gewaltverbrechen sind beinahe unbekannt.

Trotzdem scheint es eine gehörige Portion Skepsis in Deutschland und anderen westlichen Ländern gegenüber einer Reise ins haschemitische Königreich zu geben. Familie, Freunde und Arbeitskollegen fragten mich im Vorfeld, ob das denn nicht gefährlich sei. Genährt wurde dieFurcht der Menschen zunächst von den Ereignissen des Arabischen Frühlings, später durch die Gräueltaten des Islamischen Staates in den Nachbarländern Syrien und Irak.

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Die Folgen dieser Vorbehalte wiegen für die Jordanier schwer. Seit dem Rekordjahr 2010 gingen die Einnahmen aus dem Tourismus offiziellen Zahlen zufolge um 60 Prozent zurück. Dabei gilt Jordanien in einer chaotischen Region als Oase der Stabilität und Sicherheit, in der seit über 30 Jahren, ungeachtet der Entwicklungen in den Nachbarländern, Frieden herrscht.

Gründe ins Ostjordanland zu reisen gibt es viele: einmalig gut erhaltene antike Stätten wie Gerasa, die Felsenstadt Petra oder die Kreuzfahrerfestung Kerak, biblische Orte wie den Berg Nebo oder die Taufstelle Jesu, atemberaubende Naturlandschaften wie Wadi Rum oder das Tote Meer. Vor allem lohnt sich ein Besuch aber wegen der Gastfreundschaft der Jordanier. Bei jeder Gelegenheit wurde ich zu einem Glas Schwarztee eingeladen – kräftig und stark gesüßt. Die Jordanier lieben ihre Heimat und diese Liebe überträgt sich fast unweigerlich auf ihre Besucher.

Die weiße Stadt

Der Weg nach Jordanien führt beinahe zwangsläufig über die Hauptstadt Amman. Schon auf der Fahrt vom Queen Alia International Airport ins Stadtzentrum wird klar, warum Amman den Beinamen weiße Stadt trägt. Sämtliche Gebäude der Stadt, egal ob vielstöckige Luxushotels oder die kleinen Häuschen, die sich in der Peripherie Ammans eng gedrängt an die spärlich begrünten Hügel schmiegen, sind aus dem charakteristischen, weißen Kalkstein der Region gebaut. Diese Uniformität ist amtlich verordnet und sorgt für ein Meer aus weißen Häuserfassaden bis an den Horizont.

Amman verkörpert im besten Sinne das, was Jordanien auch als Land ausmacht. Islamisch geprägt, dabei aber liberal und weltoffen. Das Stadtbild prägen junge Menschen, westlich gekleidet in Blue Jeans und T-Shirts von Nike oder Puma. Auffallend viele Frauen tragen kein Kopftuch, nicht nur Christinnen. Vollverschleierte sind hingegen die Ausnahme und – laut meinem Reiseführer Raed – keine Einheimischen, sondern Touristinnen aus Saudi-Arabien, Katar oder den Emiraten.
Die Straßen der rasant wachsenden Millionenstadt sind belebt, kleine Läden mit bunten Kleidern, orientalisch duftenden Gewürzen oder frischen, farbenfrohen Lebensmitteln laden zum Stöbern ein. Überall wird man freundlich begrüßt, mit vielen Menschen kommt man ins Gespräch, ohne dass die Verkäufer einem aufdringlich versuchen ihre Waren aufzuschwatzen.

Not macht erfinderisch

Etwa zwei Drittel Jordaniens sind von Wüstenlandschaften bedeckt, was es zu einem der wasserärmsten Länder der Erde macht. Alle Erdlinge sind zum Überleben aber auf Wasser angewiesen. Deshalb müssen die Bewohner von Gebieten mit besonders geringen Wasservorkommen und Niederschlägen Strategien entwickeln, um das eigene Überleben zu sichern.

Bei Tieren und Pflanzen sorgen lange evolutorische Prozesse für physiologische Anpassungen an die speziellen Umweltbedingungen. Die Kamele als vielleicht bekannteste Wüstenbewohner, haben einen derart optimierten Wasserhaushalt, dass sie selbst extreme Durststrecken von bis zu drei Wochen schadlos überstehen können. Dies ist einer der Gründe, warum man Kamelen in Jordanien praktisch überall begegnet – nicht nur in den Wüstenregionen des Landes, selbst in den Randgebieten der Millionenstadt Amman sind die sanftmütigen Tiere omnipräsent.

Der Mensch passt sich hingegen an unterschiedliche Lebensräume und Verhältnisse nicht körperlich sondern kulturell an. Er entwickelt verschiedene Strategien und Technologien, die ihm das Überleben selbst in den unwirtlichsten Regionen der Erde ermöglichen. Dieses Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben und über die Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg perfektioniert.

 

Willkommenskultur

Erst mit dem Zuzug palästinensischer Flüchtlinge aus dem Westjordanland ab 1948 begann das Dorf Amman explosionartig zu wachsen. Nach weiteren Flüchtlingswellen durch den Irakkrieg und den syrischen Bürgerkrieg können heute nicht einmal die Jordanier selbst sagen, wieviele Einwohner die Stadt zählt – realistische Schätzungen gehen von vier bis fünf Millionen aus. Während man hierzulande trotz viel geringerer Flüchtlingszahlen eine Überfremdung fürchtet, heißen die Jordanier Menschen in Not mit offenen Armen willkommen.

Bildquellen: © Sven Vobig