Das beruhigende Rauschen des Meeres, das Knirschen von Schnee unter den Füßen oder auch das berührende Solo einer Violine  – Klänge können eine wahrhaft bezaubernde Wirkung auf die menschliche Seele haben. Doch man muss dazu bereit sein, sein Innerstes für die Berührung öffnen, denn die Sprache der Musik offenbart sich Ihnen nur, wenn Sie sich voll und ganz auf sie konzentrieren, eins mit ihr werden. Im Alltag ist das allerdings gar nicht so leicht, denn unsere Gedanken sind trotz akustisch wohlklingender Untermalung stets abgelenkt. Was bringt der Tag für mich? Was muss ich noch tun? Was ist das für ein Ort, den ich in der Ferne sehen kann?

Die Musik, sei es die der Natur oder die menschliche, ist unser steter Begleiter. Doch sie ist in den Hintergrund gerückt, leider, denn Klänge können so viel tiefer in uns eindringen, wenn wir ihnen nur die nötige Beachtung schenken. Die Dunkelheit gibt uns die Möglichkeit dazu, sie blendet alles um uns herum aus, löst unsere Gedanken von all den sichtbaren Dingen und macht uns empfänglich für andere Eindrücke. Besonders die langen Winternächte laden hier zu einer Reise voller sinnlicher Entdeckungen ein, man muss sich nur darauf einlassen, die Augen schließen und bereit sein, sich voll und ganz der Sprache der Musik hinzugeben.

Neue Welten

Lassen Sie sich dabei überraschen, was sie Ihnen erzählt – und das wird sie. Haben Sie sich denn schon einmal gefragt, worauf die Werke großer Komponisten beruhen, was sie zu ihren zeitlosen Meisterwerken inspiriert hat? Musik ist nicht nur die Aneinanderreihung wohlklingender Töne. Musik vermittelt Bilder, beschreibt Geschehnisse und spiegelt tiefe Empfindungen wider. Nehmen Sie Musik nur beiläufig wahr, werden Ihnen diese innersten Beweggründe und Botschaften der Komponisten höchstwahrscheinlich verborgen bleiben.

Bei Musik kommt es, genauso wie auch bei der Sprache, nicht nur darauf an, was, sondern auch wie man etwas sagt. Hier sind die Dirigenten gefordert. Je nachdem, wie sie selbst die von ihnen interpretierte Musik empfinden, wird sie ehrlich und warm oder eben auch nüchtern und kalt klingen. Womit etwa jede Einspielung einer Symphonie anders auf uns wirkt. Wenn aber alles zusammenpasst, dann können auch Sie in neue Welten, neue Dimensionen unter dem schützenden Mantel der Dunkelheit eintauchen. Sie brauchen es sich nur bei ausgeschaltetem Licht am Abend gemütlich machen und die Augen zu schließen. Nur so werden Sie Zeuge werden, wie sehr Musik unter die Haut geht, Ihr Innerstes berührt.

Denn die Dunkelheit führt unsere Gedanken auf unbekannte Pfade. Wir nehmen den Klang in uns auf, hinterfragen ihn, versuchen uns vorzustellen, was die Musizierenden zu den einzelnen Arrangements bewegt. Musik in der Dunkelheit zu hören heißt aber auch, die eigene Fantasie anzuregen. Denn da uns niemand vorgibt, was wir mit den Tönen verbinden sollen, malen wir wie von selbst unser eigenes Bild.

Erleben Sie etwa mit der Alpensymphonie von Richard Strauß das Aufgehen der Sonne, ihren Sieg über die Nacht und wie sie erstmals den großen, majestätischen Berg in strahlendem Glanz erscheinen lässt. Wie sich die Wanderer frohen Mutes aufmachen, den Gipfel zu stürmen, wie sie einen Wald durchqueren, an einem Wasserfall zu blumigen Wiesen gelangen – all das wird in eindrucksvollen Bildern an Ihnen vorbeiziehen. Dabei werden Sie Zeuge, wie Musik zum Kino im Kopf wird. Lassen Sie sich mitreißen über die Freude des Gipfelsiegs und bangen Sie mit, wenn sich die Sonne allmählich verdüstert und Gewitter und Sturm losbrechen. Seien Sie mit dabei, wenn der Abstieg von Blitz und Donner begleitet wird. Zuletzt werden Sie mit einem malerischen Sonnenuntergang und der Abenddämmerung belohnt und sind Zeuge, wie sich allmählich wieder die Stille der Nacht über die Alpen legt.

Malerische Klänge

Vorgaben gibt es dabei keine, denn auch wenn Sie den Gedanken hinter der Alpensymphonie kennen, muss es keineswegs dieser sein, der Sie beim Hören leitet. Wenn Sie sich auf den Klang der Musik einlassen, sich von ihm mitnehmen und treiben lassen, entwerfen Sie im Geist ihr ganz eigenes Portrait, verknüpft mit den Emotionen und Gefühlen, die die einzelnen Töne in Ihnen wachrufen. Sie müssen nur bereit sein, den Pinsel ganz ungezwungen und ohne Erwartungen zu führen, sich ihre Persönlichkeit entfalten lassen. So tun es auch viele Komponisten, die uns in ihrer Musik Einblicke in ihr innerstes Ich gestatten und uns mit in ihre Gedankenwelt nehmen. Sie teilen Freud und Leid, legen ihre Sehnsüchte dar und offenbaren uns ihre Verbundenheit, etwa zur Heimat oder zu Gott, in denen wir uns wiederfinden können.

Musik – das ist deep feeling, das Sie nur erfahren werden, wenn Sie alle Ablenkungen des Alltags von sich fernhalten und sich voll und ganz der Musik widmen. Keine Bilder – nur Töne wahrnehmen – alleine darauf kommt es an.

Tun Sie es also den großen Musikkennern in den Konzertsälen gleich. Diese schließen nicht umsonst ihre Augen. Wie sehr visuelle Eindrücke von Musik ablenken, können Sie am eigenen Leib erfahren, indem Sie ein Stück mit geöffneten und dann noch einmal mit geschlossenen Augen hören. Sie werden erstaunt sein, wie viel mehr an Feinheiten, zuvor nicht wahrgenommenen Spielereien und vor allem Empfindungen Sie nun wahrnehmen werden. Und welche Jahreszeit eignet sich besser für solche Erlebnisse als der Winter mit seinen langen Nächten?

Entdeckungsreise

Musik im Dunkeln zu hören ist ein Abenteuer, denn wenn man sich wirklich auf sie einlässt, weiß man nie, wohin sie einen führt. Fordern Sie sich daher heraus: Greifen Sie nicht nur zu ihrer Lieblingsmusik, sondern wagen Sie sich zu neuen Ufern. Legen sie Klassik, Heavy Metal oder auch Musik in einer anderen, vielleicht sogar exotischen Sprache ein, schließen die Augen und warten ab, auf welche fantasievolle oder auch emotionale Reise Sie die Musik mitnimmt. Sie werden überrascht sein!

Bildquellen: © Raphael Hilliger