Groß und majestätisch beherrscht der Großglockner den Horizont. Nach dem Aufstieg scheint es, als wäre die Höhe verschwunden. Aber sie ist da: Man kann sie spüren, wenn man es zulässt, tief in sich drin. Begleiten Sie uns auf einen sinnlichen und besinnlichen Ausflug.

Im Spätherbst, am Tag vor der Winterschließung, waren wir auf dem Großglockner, zumindest bis dorthin, wo der normale Bergwanderer noch hinkommt. Der Nationalpark gibt uns durchaus auch Gelegenheit, die Großglockner-Region ganz individuell, abseits vom Massentourismus zu erleben. Dazu eignet sich die Herbstzeit am besten. Der nahende Winter lässt uns hautnah fühlen, wie die Natur dem Menschen nach und nach Grenzen setzt.

Herbstausklang

Der späte Oktober zählt zur schönsten Jahreszeit am Großglockner. Es sind nur noch wenige Touristen unterwegs. Die Erzherzog-Johann-Hütte, mit 3454 m über dem Meeresspiegel die höchstgelegene Schutzhütte Österreichs und letzter Rastplatz vor vielen Glockner-Besteigungen, hat bereits seit Ende September geschlossen. So wie auch die meisten anderen, tiefer gelegenen Schutzhütten. Schließlich wissen die Hüttenwirte, der erste große Schnee kann bereits mit der nächsten Schlechtwetterfront kommen, und dann muss bereits alles winterfest sein.

Jetzt wird es richtig still in den Bergen. Die Lärchenwälder leuchten goldbraun gefärbt im Herbstsonnenschein von den Hängen, und die klare, reine Herbstluft lässt Fernsichten bis weit über 100 km zu. Man spürt, es fällt der Sonne schwer, dem Winter Platz zu machen. Auf den Almwiesen entdeckt man die letzten Blumen, meist Margeriten. Aber mit etwas Glück findet man sogar ein Edelweiß am Wegesrand. Es steht übrigens unter strengem Naturschutz und darf nicht gepflückt werden.

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Als Ausgangspunkt für einen letzten Herbstausflug auf den Berg bietet sich die relativ unbekannte Kalser Glocknerstraße an. Sie führt auf osttiroler Seite ins Ködnitztal und gibt den grandiosen Blick auf die Westseite des Großglockners frei. Von ihrem Endpunkt bieten sich mehrere Wanderungen zu Schutzhütten wie der Luckner- (2241 m) oder Stüdlhütte (2802 m) an. Sie sind auch Ausgangspunkte für zahlreiche Glocknerbesteigungen.

Nehmen Sie sich die Zeit und beobachten den Großglockner bis über den Sonnenuntergang hinaus. Anfangs sind die Schneeflächen noch in sattes Weiß getaucht und der nackte Fels wirkt hellgrau. Während sich die Sonne dem Horizont nähert, taucht sie den Berg zunehmend in leuchtend gelbes Licht. Auch alle Berggipfel ringsum beginnen gelbgolden zu strahlen. Unmittelbar vor Sonnenuntergang wechselt das Farbenspiel in immer blasser werdendes rot. Die eben noch scharf gezeichneten Schatten lösen sich in der hereinbrechenden Dunkelheit auf. Keine Straßenbeleuchtung, keine Scheinwerfer, keine Leuchtreklamen… hier wird es noch ganz dunkel. Das heißt, nicht wirklich. Denn am Firmament tauchen nach und nach die Sterne auf. Erst zu hunderten, dann zu tausenden und dann ist der Himmel voll von großen und kleinen Sternen. Klar und deutlich hebt sich die Milchstraße ab. Da schaut man einfach nur noch gen Himmel und staunt über all diese Pracht, die sich am klaren Nachthimmel offenbart.

In dieser Stimmung erwacht der Berg noch einmal zum Leben. Kleine Lichter blitzen auf, die sich allmählich gen Tal bewegen. Sie stammen von den letzten Gipfelstürmern, die ihren Weg vom Großglockner ins Tal mit Stirnlampen erleuchten. Sie sorgen für ein weiteres Schauspiel, das eindrucksvoll in Erinnerung bleibt.

Zeit nehmen

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Die Großglocknerstraße – über sie könnte man in 45 Minuten gen Süden rasen. Für sie kann man aber locker auch ein, zwei Tage brauchen. Zahlreiche Wanderwege und beschauliche Plätze laden dazu ein, die Bergwelt zu entdecken und eins mit der Natur zu werden.

Dieses Erlebnis können auch Kraftplätze vermitteln. Das sind Orte, denen eine intensive spirituelle Wirkung zugeschrieben wird. Man sagt, von ihnen gehe eine besondere Erdstrahlung aus, die auf den Menschen beruhigend und stärkend wirken und zur Bewusstseinserweiterung beitragen kann. Aber auch Plätze mit beruhigender Wirkung werden oft als solche bezeichnet. Kraftplätze sind während der letzten Jahre in Mode gekommen und zum Teil versucht man, mit diesem Trend den Tourismus ein wenig anzukurbeln.

Aber eigentlich sind Kraftplätze nicht unbedingt an Hinweisschilder gebunden und werden es nicht allein dadurch, dass irgendjemand ein paar Steine aufeinandergestapelt hat. Diese Plätze findet man letztendlich überall dort, wo man sich wohlfühlt und Energie tanken kann, wo man die Inspiration durch die Natur quasi mit den Händen fühlen kann und mit dem Herzen spürt. Das muss man freilich auch zulassen. Lassen Sie sich, wenn es Sie irgendwann einmal dorthin führt, einfach in Gedanken fallen, halten Sie für sich die Zeit an, schauen Sie sich um und nehmen Sie den Ort in sich auf.

Bildquellen: Auerbach Verlag/Thomas Riegler