Was mir gefällt, ist für mich schön. Es gibt tausend Aspekte von Schönheit, die meisten habe ich zu schätzen gelernt und in ihnen eine Art intellektueller und objektiv anerkannter Schönheit gefunden.

Wenn ich jedoch den zeitgeistbedingten Geschmack und seine Mode abstrahiere, reduzieren sich schöne Dinge von gestern zu Kitsch. Dennoch bleibt aus jeder Epoche etwas zurück. Was empfinde ich an Klassikern schön? An Gemälden von Leonardo da Vinci oder Picasso? An Musik von Johann Sebastian Bach über Richard Wagner bis Phillip Glass? Sie sind der Mode entwachsen durch etwas Besonderes.  Was ist es, was allen Klassikern gemeinsam ist?

Ich drücke es mit einem Begriff aus, um die Antwort nicht schuldig zu bleiben: Das Transzendente. Taucht dieses Element in der Kunst auf, sind Gedichte von Marc Aurelius, einem Kaiser aus dem antiken Rom heute noch interessant und ebenso schön wie die Musik von Vivaldi, Beethoven oder Mozart. Die Beatles haben ebenfalls ein Element in ihrer Musik, das über die reine Schönheit ihrer Melodien hinausweist. St. Peppers Loneley Hearts Club Band. Ich brauchte viele Jahre, bis ich das Geheimnis wahrer Schönheit entdeckte.

Objektive Schönheit

Schon als Teenager konnte ich mit Begriffen und den Vorstellungen von objektiver Schönheit etwas anfangen, doch mit zunehmendem Alter wurden mir die Begriffe leer. Ich spürte die Schönheit nicht mehr. Das Gefühl für Schönheit hatte sich in letztlich austauschbaren intellektuellen Vorstellungen, Objektivierungen und Konzepten verloren. „Ich habe Gefallen an dir gefunden“, strahlte er sie an und fügte hinzu: „Du bist wunderschön!“. Sätze, die Gefallen und Schönheit in Verbindung bringen zeigen auf, was damit verbunden ist: Das Herz. Hier bin ich nach der intellektuellen, der vorgestellten Schönheit gelandet.

„Mir sind schöne Menschen begegnet, die sich als nicht schön empfanden.“

Warum gefällt mir etwas? Gründe kann es unendlich viele geben, der einzig bedeutende ist das Gefühl des Gefallens selbst. Auch ein Zeitgeist entsteht durch ein kollektives Gefallen. Was gefällt den Menschen im 21. Jahrhundert? Was empfinden sie als schön? Als männliches Schönheitsideal im 20. Jahrhundert galt der sportlich trainierte Typ des Kriegers. Das pazifistischer orientierte 21. Jahrhundert lässt weichere Typen zu bis hin zum transsexuellen Ausdruck. Ohrringe und andere Piercings werden ebenso als schön empfunden wie lange Haare, das sind zweifellos weibliche Attribute. Natürlich finden sich auch jene Menschen in Gruppen zusammen, die heldische Attribute eines Mannes lieben und daher einen Kurzhaarschnitt als schöner empfinden.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters, sie ist relativ. Mir sind schöne Menschen begegnet, die sich als nicht schön empfanden. Sie waren dazu verurteilt, sich durch eine sehr selbstkritische Brille zu sehen. Bei dieser Brille versagt jede Objektivität.

„Wie oft wird mir gesagt, wie schön ich sei.“ Sie warf einen langen Blick durch das Fenster des Zugabteils. „Doch meist geht es um meinen Körper.“ Sie erzählte mir, wie sie das als Teenager entdeckte: „Ein Mitschüler aus der Oberschicht hat mir Geld angeboten, wenn er meine Brüste begrabschen dürfte. Ich gab ihm eine Ohrfeige.“

Triebkräfte erzeugen Begierden, Begehren hat starken Einfluss auf das subjektive Schönheitsempfinden. Ich will damit unmissverständlich ausdrücken, dass Schönheit relativ ist. In jenem Augenblick in dem die Liebe erblüht, entsteht Schönheit. Das gilt für die erotisch bedingte Liebe ebenso wie für die platonische. Liebe und Schönheit haben zahlreiche Aspekte und feinste Nuancen. Unser Zeitgeist lenkt den Blick nach Außen und vermarktet Schönheit gewinnbringend.

Doch immer wieder wenden sich Übersättigte von Außen ab und gehen auf die Suche nach der inneren Schönheit, der Schönheit der Seele. Sobald das Interesse an der eigenen Seele erwacht, wird sich die Vorstellung von Schönheit in das Gefühl von Schönheit verwandeln.

Schönheit hat ihre Quelle im Herzen.

Bildquellen: Stefan