Masken gehören zum Karneval, ins Theater oder auch als Zeugnis pompöser Bälle in vergangene Epochen. Dabei tragen wir sie jeden Tag, wir alle. Wirklich bewusst ist uns das aber nur selten. Manchmal sollen Sie unsere Gefühle, oder gar uns selbst verbergen. Und manchmal zeigen sie unsere Gefühle offener, als wir selbst es können.

Wenn sich Venedig im Frühjahr wieder für den alljährlichen Karneval schmückt, zeigt sich die Lagunenstadt von einer ihrer schillerndsten Seiten: Aufwendig gestaltete Masken und opulente Kostüme prägen das Stadtbild, das durch seine vielen Kanäle und alten Palazzi die passende Kulisse bietet, um den Betrachter mit auf eine Reise in die Vergangenheit zu nehmen. Maskenbälle hatten dabei schon immer einen ganz besonderen Reiz: Die Verschleierung des eigenen Gesichts bot den Feiernden die Möglichkeit, unerkannt zu bleiben, Dinge zu wagen, die im Alltag undenkbar wären. Ein viel zu offenherziges Kleid, ein anzüglicher Flirt mit einer verheirateten Frau, ein Streich oder ein scharfzüngiges Wortgefecht – dank der Scharade blieb von all dem am nächsten Morgen nur noch ein nebulöser Traum zurück.

Diese Freiheit wird auch heute noch munter ausgelebt: Als Clown zum Fasching, als Gruselgestalt an Halloween oder passend kostümiert zur nächsten Motto-Party. Wir genießen es, in eine andere Rolle schlüpfen zu können, etwas Neues auszuprobieren und mal nicht man selbst zu sein. Eine Maske schenkt uns Freiheit. Sie gewährt uns die Möglichkeit, in der Anonymität abzutauchen, eine Weile aus unserem normalen Leben auszusteigen und so die eigenen Grenzen neu auszuloten und zu verschieben.

Die möglichen Konsequenzen unseres Tuns rücken in den Hintergrund. Was soll auch geschehen, wenn wir nicht zu erkennen sind? Die Anonymität lässt unsere Hemmungen sinken, wir trauen uns Dinge, die wir unter normalen Umständen nicht tun würden. Die Kostümierung macht uns mutiger, selbst wenn wir uns unserer Anonymität nicht sicher sein können. Und für manch einen sind Maske und Kostüm die einzige Chance, die eigene Schüchternheit abzulegen und aus sich herauszukommen.

Ein neues Gesicht

Wenn wir heute an Masken denken, kommt einem zuerst der allseits bekannte Clown in den Sinn. Rote Nase, weißes Gesicht, buntes Haar und ein breites Lächeln. Der Mensch dahinter verblasst bis zur Unkenntlichkeit. Und das alles dank ein wenig dick aufgetragener Farbe.

Die plastischen Gebilde, wie sie die Menschen beispielsweise in der griechisch-römischen Antike getragen haben, sind heute fast vollkommen verschwunden. Selbst im Theater findet man die steifen Formen kaum noch, die einen bestimmten Gesichtsausdruck gebannt haben und damit den Gefühlen der vorgetragenen Rolle mehr Ausdruck verleihen sollten. Es ist vielmehr Make-Up, mit denen Maskenbildner heute komplett neue Gesichter zu modellieren vermögen. In mühevoller, oft viele Stunden dauernder Handarbeit machen sie aus einem Schauspieler einen Greis, einen grünen Kobold oder auch einen Untoten. Ob spitze Ohren, klaffende Wunden oder ein Zeitsprung über Jahrzehnte – alles ist möglich. Typisierungen sind nicht mehr gefragt, der Zeitgeist verlangt Individualität.

Der Nutzen ist aber auch nach all den Jahrhunderten der gleiche: Auch moderne Masken sollen ihren Trägern helfen, sich besser in ihre Rolle hineinversetzen zu können, das eigene Selbst loszulassen und jene geschaffene Kunstfigur glaubhaft mit Leben zu füllen. So auch der Clown. Er soll Kinder zum Lachen bringen, mit seiner Kostümierung für Begeisterung sorgen. Die Züge und Gefühle des Menschen hinter den bunten Hosen und der weiß-roten Schminke sind sorgsam verhüllt.

Wahrheit und Lüge

Was in Film und Fernsehen bis an die Grenzen des Machbaren getrieben wird, tun wir im Kleinen jeden Tag. Wir alle. Wir maskieren uns, auch wenn wir keine Perücken, schrille Kostüme oder angeklebte Rauschebärte tragen. Dabei ist es gar nicht in erster Linie unser Körper, den wir vor der Welt verbergen wollen, sondern unser Selbst. „Wie geht es dir?“ – Kaum eine Frage wird häufiger gestellt und noch viel häufiger mit einer Lüge beantwortet. „Gut“, kommt meist vom Gegenüber oder auch von uns selbst, wenn wir angesprochen werden. Doch stimmt das auch? Geht es uns wirklich so gut, wie wir es Anderen weismachen wollen? Wohl kaum. Nur allzu oft liegt uns etwas auf der Seele, etwas, das uns beschäftigt und manchmal sogar um den Schlaf bringt. Doch das behalten wir meist für uns, setzen lieber ein falsches Lächeln auf, eine Maske, und flunkern, statt die Wahrheit zu sagen. Aber warum?

Eigentlich ist es eine ganz simple Frage, doch sie rührt an etwas, dass wir nur sehr ungern preisgeben: unsere Gefühle. Das, woraus sich unser Selbstbewusstsein und unser Selbstwertgefühl aufbaut. Das Verletzlichste an uns. Warum wir also lügen? Weil es so viel einfacher ist. Und weniger gefährlich.

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