Wenn eine Liebesbeziehung endet, fühlen wir uns nicht nur traurig und enttäuscht, sondern hadern häufig mit einer Form von „Orientierungslosigkeit“. Plötzlich sind wir dazu angehalten, unser Leben komplett umzukrempeln. Doch, wie finden wir den Weg heraus aus der Enttäuschung und Verletzung darüber, dass gemeinsame Träume geplatzt sind, hin zu einem glücklichen Neustart allein?
Hat uns „das Tal der Tränen“ erst einmal verschluckt, fühlt es sich oftmals so an, als würden wir nie wieder den Weg dort hinausfinden. Besonders schwer fällt es uns, zu akzeptieren, dass wir nun das gemeinsame Leben und damit verbundene Annehmlichkeiten sowie Träume und Wünsche komplett loslassen müssen. Vielleicht zerbricht neben unserer Partnerschaft zugleich die Familie, die wir einst mit unserem geliebten Herzensmenschen gegründet haben. Es müssen schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden: Was wird mit den Kindern? Wer behält das Haus? Gemeinsam liebgewonnene Dinge werden aufgeteilt, es ist ein schmerzhaftes Loslassen auf beiden Seiten.
Die Liebe stirbt meist an den kleinen Fehlern, die man am Anfang so entzückend findet.
Albert Schweitzer
Lass die Gefühle aus dem Beziehungsende frei!
All dies überfordert uns oft nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional. Wir sind in besonderem Maße damit konfrontiert, einen „gesunden Umgang“ mit unseren Gefühlen zu finden. Es ist wichtig, dass wir diesen Gefühlen die Möglichkeit geben, sich zu zeigen. Nur so können wir sie „durch uns hindurch fließen lassen“. Allzu oft verdrängen wir unsere Gefühle, da wir dies so gelernt haben. Um jedoch wirklich die Trennung und den damit einhergehenden Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten zu können, sollten wir unseren Gefühlen Raum geben. Es ist demnach heilsam, sich in Ruhe zurückzuziehen, und einmal all die Trauer, Wut, Enttäuschung oder Verbitterung einzuladen, sich zu zeigen – das kann auch heißen, die Wut herauszuschreien, oder auch zu weinen, bis die Tränen versiegt sind.
Wir können lernen, uns in dieser Situation selbst liebevoll und mit Selbstmitgefühl zu halten. Natürlich ist es aber auch möglich, sich Hilfe bei anderen lieben Menschen, die uns tröstend zur Seite stehen, oder eventuell sogar professionelle Unterstützung zu suchen.

Die Trennungsphasen durchlaufen und akzeptieren
Um die Trennung vollständig emotional verarbeiten zu können, müssen wir akzeptieren, dass wir im Verarbeitungsprozess mehrere Phasen durchlaufen. In Phase 1 befinden wir uns im Modus „Unverständnis und Verdrängung“. Phase 2 lässt uns in eine Form der „Erstarrung und Resignation“ fallen. In Phase 3 versuchen wir eventuell noch einmal, die Beziehung zu retten, indem wir Kompromisse aushandeln wollen. Phase 4 lässt uns erkennen, dass die „Rettungsversuche“ scheitern. Das erzeugt oft Wut, Ohnmacht, Trauer und Frustration. Im Extremfall kann hieraus leider eine Depression entstehen. Also ist es wichtig, sich eventuell professionelle Hilfe zu suchen. In Phase 5 fällt es uns leichter, das Beziehungsende zu akzeptieren. Wir erkennen, dass wir loslassen müssen. Hierbei ist es wichtig, sich neue positive Aspekte ins Leben zu holen, wie neue Hobbys oder soziale Kontakte. Wir gestalten dann unser Leben voller Freude neu.
Schöpfe neuen Mut aus der Trennung
In Momenten wie einer solchen Trennungssituation beispielsweise fällt es uns unglaublich schwer, uns vorzustellen, dass unser Leben sich wieder in eine Freude bringende Richtung entwickeln kann. Wir sind in einer Art Tunnelblick gefangen, was uns den Glauben an positive Lebensperspektiven erschwert. Weiterhin wird uns bewusst, dass wir „die Identifikation mit der Rolle“, in der wir uns bisher gesehen haben, aufgeben müssen. Gemeint ist damit eine gewisse Form von „Partnerschaftsidentität“.
All diese Aspekte mögen uns zwar anfangs überfordern oder gar Angst in uns auslösen, doch bieten sie ungeahnte neue Chancen. Sicherlich haben wir bereits in unserem Leben des öfteren Neuanfänge erfahren. Jeder Lebensabschnitt hatte dabei seine schönen und weniger angenehmen Aspekte. Häufig vergessen wir jedoch die Tatsache, dass wir zum einen bisher schon einige Herausforderungen in unterschiedlichen Lebensbereichen bewältigt haben. Dabei sind wir zwar oft an unsere Grenzen gestoßen, hinterher waren wir aber erschöpft und zugleich stolz und erleichtert, dass wir alles gemeistert haben. Es mag sein, dass die Erinnerung an eine derartige Herausforderung uns während einer solchen Trennungssituation schwer zugänglich ist.
Wir können uns aber in einem ruhigen Augenblick eine Pause zum Durchatmen gönnen und uns bewusst die Zeit dazu nehmen, über vergangene Herausforderungen und deren erfolgreichen Ausgang zu reflektieren. Dies stärkt nicht nur unser Vertrauen in das Leben, sondern auch in uns selbst. Mögen wir aufgrund des Endes einer Liebesbeziehung noch so sehr an uns selbst und vielleicht sogar an unserer Liebenswürdigkeit zweifeln, so kann sich ein neuer Raum der Zuversicht öffnen. Wenn wir uns aktiv bewusst machen, dass wir handlungsfähig und zugleich belastbarer sind, als wir es in dieser gegenwärtigen Trennungssituation empfinden, spüren wir direkt, wie sich unser Nervensystem beruhigt.
Wir können denken: „Ach ja, damals habe ich ja auch geglaubt, dass ich keine Lösung für Problem XY finde. Ich erinnere mich, als wie ausweglos ich die damalige Situation empfunden habe. Mit meinen Gefühlen und den Verpflichtungen des alltäglichen Lebens war ich zunächst überfordert. Dennoch weiß ich, dass ich es damals geschafft habe, alles gut zu bewältigen. Das werde ich auch dieses Mal hinbekommen.“
Sich kennen und lieben lernen – und dann sich trennen, ist die traurige Geschichte vieler menschlicher Herzen.
Samuel Taylor Coleridge

Der Blick nach vorn nach dem Beziehungsende
Dank einer solchen Einstellung finden wir aus der ohnmächtigen Opferrolle heraus. Vielleicht können wir sogar positive Aspekte entdecken, die die neue Lebenssituation mit sich bringt. Eventuell wohnen wir nun näher an unserem Arbeitsplatz oder unserem Freundeskreis. Wir finden möglicherweise mehr Zeit, um neue Hobbys auszuprobieren. Jede Lebensphase bringt angenehme und weniger angenehme Aspekte mit sich. Dessen dürfen wir uns auch hier bewusstwerden. Wir beginnen aber in diesem Moment, uns leichtfertiger mit dem neuen Lebensabschnitt anzufreunden, da er durchaus „positive Nebenwirkungen“ hat.
Wer nicht wirklich verliebt ist, sagt bei der Trennung die zärtlichsten Worte.
Marcel Proust
Je mehr uns der Blick nach vorne gelingt, desto stärker drängt sich uns eine wichtige Frage auf: Wollen wir direkt eine neue Beziehung eingehen – oder lieber zunächst allein bleiben?
In meinem Berufsalltag als Coach, psychologische Beraterin und Paarberaterin werde ich häufig mit der Frage konfrontiert, welcher Zeitraum angemessen sei, bevor jemand eine neue Beziehung eingeht. Meiner Ansicht nach gibt es darauf keine pauschal richtige Antwort.
Es ist wichtig, dass wir uns selbst über unsere Motive klar werden. Grundsätzlich sollte allerdings eine gewisse Zeit gewahrt werden, um die Trennung emotional vollständig zu verarbeiten. Dazu ist es, wie oben bereits angesprochen, notwendig, die eigenen Gefühle „durchzufühlen“, ihnen also genug Raum zu geben. Viele Menschen neigen dazu, sich lieber damit abzulenken, dass sie direkt wieder auf die Partnersuche gehen.
Auch ich war früher, mit Anfang/Mitte 20, in diesem Muster gefangen. Irgendwann stellte ich jedoch fest, dass dies nicht der richtige Weg ist. Schließlich ließ ich damit ungewollt einige Männer mit gebrochenem Herzen zurück, was ich zuvor verdrängt hatte. Ich hatte die Situation schlichtweg unterschätzt. Einige meiner Klienten haben ähnliche Erfahrungen gesammelt. Es mag zunächst vorteilhaft erscheinen, sich mit einer neuen Beziehung von seinem Trennungsschmerz ablenken zu wollen.
Doch ist uns dabei nicht klar, dass wir den alten und unverarbeiteten Schmerz weiterhin in uns tragen und diesen zudem mit in die neue Partnerschaft nehmen. Anfangs mag dies eventuell aufgrund von Verliebtheitsgefühlen dem neuen Herzensmenschen gegenüber nicht allzu sehr auffallen. Nach und nach erkennen wir allerdings, dass wir uns diesem Menschen nicht wahrhaftig herzoffen zeigen, und uns somit voll und ganz auf ihn einlassen können.
Wir kommen oftmals nicht über einen gewissen Punkt an emotionaler Verbundenheit ihm gegenüber hinaus. Es scheint so, als würden wir dort festhängen. Wir arbeiten unsere Trennungsvergangenheit an unserem neuen Partner ab. Damit verletzen wir nicht nur uns selbst, sondern ziehen einen anderen lieben Menschen in unser Gefühlschaos mit hinein. Schlussendlich hat auch dieser Mensch Wünsche und womöglich eine Zukunftsvision, die er sich mit uns gemeinsam ausgemalt hatte. Das vorzeitige Beziehungsende ist deshalb nahezu programmiert.
Mich selbst wieder spüren lernen
Während einer Trennungssituation sind wir oft mit unserem Gefühlschaos überfordert. Deshalb ist es wichtig, sich immer wieder aufs Neue in die Stille zurückzuziehen, um ins Selbstmitgefühl zu finden. Eine wichtige Frage, die wir uns dann stellen sollten, ist die: „Welches Bedürfnis verbirgt sich hinter meinem Gefühl?“ oder auch: „Was kann ich mir jetzt Gutes tun, um mich zu stabilisieren?“ Wenn wir uns zum Bespiel Geborgenheit wünschen, können wir uns überlegen, wie wir diese in uns selbst finden können. So kommen wir uns Schritt für Schritt auf liebevolle und achtsame Art und Weise wieder näher.
Spüre deine eigenen Bedürfnisse
Es führt also kein Weg daran vorbei, sich zunächst einmal – ganz im Sinne der Selbstliebe und Selbstfürsorge – vollständig um die eigenen Gefühle und die neue Lebensausrichtung zu kümmern. Einigen Menschen erscheint dies als frustrierend und ernüchternd, weil sie sich selbst „als Beziehungsmenschen“ bezeichnen. Mir erging es früher ebenso, weshalb ich ja in meinem fatalen Verhaltensmuster, wie bereits erwähnt, eine Zeit lang gefangen war. Wir dürfen uns in diesem Fall jedoch fragen, wieso uns diese Tatsache so unbefriedigt zurücklässt. Welche Bedürfnisse, welche Ängste und „ungeheilten inneren Schattenthemen“ verbergen sich dahinter? Schlummert in uns möglicherweise die Angst vor Einsamkeitsgefühlen, brauchen wir zwangsläufig von außen eine gewisse Form von Bestätigung unserer Liebenswürdigkeit oder Ähnliches?
Das Ende einer Beziehung kann uns die Möglichkeit eröffnen, uns selbst auf einer tieferen Ebene kennenzulernen. Diese Erfahrung bietet uns eine wertvolle Chance, um alte emotionale Wunden – meist aus der Kindheit – zu heilen. Schließlich wird uns hier auf sehr tiefer Ebene in uns verborgener Schmerz gespiegelt. Niemand wünscht sich, freiwillig wieder damit in Kontakt zu kommen.
Aber hier liegt ein Geschenk in unschöner Verpackung vor uns. Wir dürfen uns jetzt anhand der gegenwärtigen Erfahrung von altem Ballast befreien. Wenn wir den Mut dazu aufbringen können, weil wir in uns die Gewissheit tragen, dass wir es uns wert sind, zu heilen, werden wir wahre Wunder erleben. Es wird nicht nur unglaublich viel „gebundene Energie“ frei – die Auflösung alter ungeheilter Gefühle lässt dahinter solch wundervolle Empfindungen, wie Freude, Leichtigkeit, Liebe und Dankbarkeit zum Vorschein kommen. Wir spüren uns selbst gegenüber eine vielleicht niemals zuvor da gewesene emotionale Nähe. Unser Herz öffnet sich und wird weit.

Selbstliebe und Selbstmitgefühl kultivieren
Nach einer Trennung ist häufig unser Selbstwertgefühl stark angegriffen. Wir fühlen uns nicht mehr so liebenswert wie früher. Daher ist es wichtig, dass wir mit uns selbst mitfühlend und liebevoll umgehen. Es ist kontraproduktiv, wenn wir uns selbst gegenüber ständig Schuldzuweisungen oder Vorwürfe aussprechen. Die gegenwärtige Situation fordert uns bereits genug heraus. Daher müssen wir uns nicht zusätzlich „selbst fertig machen“. Im Gegenteil dazu dürfen wir unser Herz für uns selbst öffnen und zudem den leiderzeugenden Widerstand in uns auflösen.
Neue Türen nach dem Beziehungsende
Haben wir diese in Wahrheit wunderschöne Erfahrung gemacht, gelangen wir an einen Punkt, in uns selbst erfüllt zu sein. Dies wird sich auch in unserer Ausstrahlung widerspiegeln. Wir werden womöglich überrascht sein, dass uns das Leben auf vermeintlich wundersame Weise zur rechten Zeit einen neuen Herzensmenschen schenkt, mit dem wir dann gemeinsam eine wahrhaftige „Herzens- und Seelenbegegnung“ erleben dürfen. Ja, um diesen Weg zu gehen, bedarf es einer Portion Mut. Wenn wir aber wieder lernen, uns selbst und dem Leben zu vertrauen, können wir in Liebe und Leichtigkeit über uns selbst hinauswachsen. Schließt das Leben eine Türe, öffnet es uns zugleich ein Fenster. Wir müssen nur lernen, unsere Augen (und unser Herz) dafür zu öffnen.
Isabelle Maria Kühler