Eine Lebensphilosophie ergibt sich aus der Entscheidung heraus, wie das eigenen Leben gestaltet werden soll. Dazu zählen die eigene Meinung, Einstellungen, Ansichten und Überzeugungen. Einige sind rein mental, andere sind verbunden mit praktischen Elementen, die sich etablieren.

Viele Lebensstile sind geprägt von einem bestimmten Glauben und dessen Vorgaben. Nicht zwingend sind damit Religionen mit einer göttlichen Verbindung gemeint, aber auch das ist möglich. Oft ist ihnen dabei zu eigen, sich auf das „Wesentliche“ zu konzentrieren. Ein Weg dorthin kann der Minimalismus sein.

Konsumhunger der Nachkriegszeit

In Zeiten der Industrialisierung entstand ein Umdenken in den Köpfen der Menschen. Immer mehr produzierte Waren konnten erworben werden. Die Auswahl stieg an und wurde in Kaufhäusern angepriesen. Erst im 17. Jahrhundert entstand in Japan das erste Kaufhaus. Kurz vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das erste westliche sogenannte Vollkaufhaus in London eröffnet.

Der Trend zu einem übermäßigen Konsum erlebte jedoch erst einen Boom nach dem Ende des zweiten Weltkrieges. Die Menschen haben sich durch die Kriege über Jahrzehnte in einem Verzicht befunden. Hunger und Verlust von liebgewonnen Gegenständen saß tief. Mit dem Ende des Krieges begann die Zeit des Konsums. Die Wohlstandsjahre brachen an und dauerten bis zur Mitte der 70er Jahre an. Es war eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, der das Gefühl von Verzicht verblassen ließ. Viele unserer Eltern und Großeltern sind in dieser Zeit geboren. Sie wuchsen auf in einem Gefühl, sich alles kaufen zu können, was benötigt wird – und noch etwas mehr.

Überkonsum, statt Minimalismus

Im Anschluss begann eine Zeit, die bis heute anhält. Die Entwicklungen nahmen an Geschwindigkeit zu. Der technische Fortschritt bringt immer neue Produkte auf den Markt und das in immer kürzer werdenden Abständen. Das gleicht einer Flut und so entstand eine Entwicklung, bei der die Märkte überschwemmt wurden mit verschiedenen Angeboten. Gleichzeitig sanken kontinuierlich die Preise für viele Produkte und so wurden sie für jeden Geldbeutel erschwinglich. Damit die Unternehmer weiterhin ihren Umsatz erzielen können, entstehen bis heute immer neue Artikel oder verschiedene Variationen von dem gleichen Produkt. 

Der Trend geht zu immer mehr. Die Auswahl soll nicht nur im Laden möglichst groß sein, um sich gut zu fühlen. Haushalte füllen sich und horten viele Dinge, die keiner der dort lebenden je nutzen wird. Der hier beschriebene Konsum ist von einem Messileben dennoch deutlich abzugrenzen. Es wird nicht systematisch gesammelt. Viele Menschen der westlichen Welt überkonsumieren schlicht Tag für Tag und umgeben sich immer mehr mit Gegenständen, die sie nicht nutzen. Das geschieht einfach, weil sie es können.

Viele Menschen der westlichen Welt überkonsumieren schlicht Tag für Tag

Zu groß sind die Verlockungen bei einem Einkauf und so kommt es wie selbstverständlich zu Impulskäufe. Die Industrie und die Werbung freut das. Sie haben ihr Ziel erreicht. Die Anzahl der Dinge im Haushalt vermehrt sich fast von allein und gleichzeitig fällt vielen Menschen auf, dass sie nicht glücklicher werden mit all dem, was sie besitzen.

Mehr Zufriedenheit durch Minimalismus

Der Grund darin ist leicht erklärt. Es gibt statistisch keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der vorhandenen Gegenstände und der Lebenszufriedenheit. Das Gegenteil ist sogar laut vielen Forschungsergebnissen der Fall. Das Wohlbefinden geht einher mit einer qualitativen Verbesserung aller vorhandenen Lebensbereiche. Diese Erkenntnis nimmt sich der Lebensstil des Minimalismus an.

Menschen, die sich mit dem Minimalismus beschäftigen und ihn leben, folgen einer Philosophie, die sie glücklicher werden lässt. Sie ist frei von einer Religion. Der Lebensstil basiert schlicht auf den Grundstrukturen der Psyche des Menschen. Die hat sich in all den Jahren und Jahrzehnten nicht geändert. Das geflügelte Wort „weniger ist mehr“ ist in den vergangenen Jahren zu einem neuen Trend, aber eigentlich bereits zu einer Lebensphilosophie geworden. Die Statussymbole mit denen wir aufgewachsen sind, zählen hier nichts mehr. Sie werden von Minimalisten belächelt.

Glücklich ist, wer genau soviel hat, wie er nutzt. Die Nützlichkeit und Wertigkeit stehen im Fokus des Betrachters. Ein Gegenstand, der über Monate keine Verwendung findet, ist für Minimalisten unnütz. Er befüllt das Leben und lässt das Gemüt schwerer werden. Nur wer es schafft, sich ausschließlich mit dem zu umgeben, was gebraucht wird, steigert sein Wohlbefinden. Er ist nicht gebunden an Werte, kann sich freier im Leben bewegen und gelangt zu einem tieferen Bewusstsein. Dies alles ohne jemanden, der definiert, was benötigt wird. Die Entscheidung bleibt in den Händen des Minimalisten. Sobald er etwas benötigt, ist es nützlich und kann erworben werden.

Minimalismus im Alltag

Im Alltag bedeutet dies, dass sich der Minimalist mit den Gegenständen seiner Umgebung intensiv beschäftigt. Er prüft, ob die Dinge um ihn herum einen Mehrwert für ihn haben. Sollte dies nicht der Fall sein, kann er auf sie verzichten. Ganz ohne ein Gefühl von Mangel. Der Minimalist verzichtet auf nichts und gleichzeitig auf so vieles.

Das führt dazu, dass sich die Lebenszufriedenheit nicht nur über das Gefühl von Freiheit und unbelastet sein einstellt. Sie entsteht auch über den Genuss des Benutzens, in dem Wissen einer guten Qualität.

Minimalismus heißt: Glücklich ist, wer genau soviel hat, wie er nutzt.

Niemand hat das Gefühl eines Verzichts oder einer Unterversorgung. Zu viel von allem lässt das Leben wie von selbst kompliziert werden. In der Einfachheit wird es angenehmer und das Lebensgefühl verbessert sich. Kaum eine Privatperson benötigt eine Bohrmaschine im Wochenabstand. Der Minimalist achtet darauf, dass ein Co-Konsum stattfindet und gibt Gegenstände an die Menschen weiter, die sie benötigen. Dabei geht es nicht darum, einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Es zählt die Verwendbarkeit und der Einsatz von allem, was ihn umgibt.

Fast schon nebenbei trägt ein Minimalist mit seinem Lebensstil einen wesentlichen Beitrag zur Umweltentlastung bei. Das digitale Zeitalter schafft nicht nur mehr Konsum. Es bietet auch die Möglichkeit, das Leben einfacher zu gestalten. Genau damit erreicht der Minimalismus eine Steigerung der eigenen Flexibilität und seines eigenen Wohlbefindens.