Funktioniert das Abschalten der digitalen Kommunikation der modernen Welt überhaupt noch oder endet das in der sozialen Isolation des Einzelnen?

Eine spannende Frage, der mit den Überlegungen in diesem Beitrag nachgegangen werden soll. Das Alltagsleben vieler Westeuropäer ist geprägt von Smartphones, Social Media Accounts, mehreren E-Mail Adressen und verschiedenen Messengerservicen. Es gibt viele Möglichkeiten, um mit Menschen in den Kontakt zu treten und sich auszutauschen. Verabredungen sind schneller möglich, Verspätungen können besser kommuniziert werden und der Gedankenaustausch untereinander ist rasant. Dem gegenüber steht der Lebensstil des Minimalismus. Dieser besagt, dass eine Reduzierung jeglichen Überflusses zu einer besseren Lebensqualität führt. Amerikanische Forscher fanden im Jahr 2010 heraus, dass Männer und Frauen ungefähr 16.000 Wörter pro Tag reden. Gefühlt hat sich in den letzten 7 Jahren etwas in der Kommunikationslandschaft geändert. Geschlechterunterschiede sind damit weniger gemeint. Vielmehr der Weg des Austausches und dessen Qualität.

„Selbst Schweiger werden zu digitalen Schwätzern.“

Im digitalen Austausch flattern Nachrichten im Sekundentakt ein. Auch wenn sich diese quantitativ pro Nachricht verringert haben, so passt dies sicher nicht in das Lebenskonzept des Minimalismus. Nur weil eine Nachricht kürzer wird, steigt nicht automatisch deren Gehalt. Die Schwierigkeit, einen minimalistischen Lebensstil im Umgang des Miteinander umzusetzen, bringt Konflikte mit sich. Ein Leben im Minimalismus hinter verschlossenen Türen zu leben ist das eine, aber im Kontakt mit anderen Menschen kann er leicht verletzend und missverstanden werden. Daher gilt es hier, empathisch zu agieren und vielleicht auch mehr seiner eigenen Philosophie zu erklären. Der Minimalismus innerhalb der Kommunikationsmedien bedeutet auch hier, sich auf einen Messengerdienst zu beschränken und nach Möglichkeit nur einen E-Mail Account zu nutzen. Dennoch ändert das wenig an der Fülle der Nachrichten. Rundmails werden schon seit Jahren von vielen Menschen als belästigend empfunden. Schlimmer noch sind die Nachrichten, die emotional gehalten sind und am Ende auffordern, sie an Freunde weiterzuleiten, denn sonst würde etwas schlimmes geschehen. Kaum ist die eine Kettenmail gelöscht, kommt sie erneut aus einer anderen Richtung. Ein freundlicher Hinweis führt selten zu einem Stopp und ein deutlicher no-go Hinweis bedeutet oft gleichzeitig einen vollständigen Ausschluss, da viele Menschen pikiert reagieren. Nicht immer muss der als schlimm empfunden werden, aber fast jeder kennt das Gefühl sich einerseits belästigt zu fühlen, aber dennoch nicht in der Lage seiend, deutliche Worte zu finden, die auch richtig verstanden werden. Die positive Nachricht ist, dass es zu einem angenehme Lebensgefühl kommt, wenn die Grenzen klar abgesteckt sind. Der innere Druck fällt ab und die Angst vor Vorwürfen sinkt, wenn man sich erst einmal innerlich davon befreit hat.

Was kannst Du tun?

Eine Möglichkeit der persönlichen Reduktion ist die Kontrolle über den Messengerdienst durch die individuellen Einstellungsmöglichkeiten wieder zurück zu gewinnen. Wer jedoch gleichzeitig alle technischen Möglichkeiten nutzen und selbst nicht überflutet werden möchte, braucht für die Umstellungsphase in den Köpfen der anderen Menschen etwas Zeit. Diese Zeit mag turbulent und voller Missverständnisse sein, aber letztlich ist dies der lohnendere Weg. Klare Ansagen helfen. Ein Nichtreagieren ebenfalls. Dennoch sollte die Kommunikation nicht abgebrochen werden. Wir erleben es in der Politik. Auch wenn sich ein Bündnispartner nicht so verhält, wie es wünschenswert wäre, so bleibt man im Kontakt und sucht weiterhin das Gespräch. Bei einem nächsten persönlichen Treffen steigern sich in den meisten Fällen die Aufmerksamkeit für die vorgebrachten Themen und das Verständnis für den Standpunkt des Gegenübers. So ähnlich funktioniert der Minimalismus auch im digitalen Zeitalter. Die Vorteile der Technik können in vollem Umfang genutzt werden, wenn die Mitspieler informiert sind und Zeit haben, um sich mit den Vorgaben eines Minimalisten anfreunden zu können. Sein Standpunkt wird toleriert und respektiert, wenn er nachvollziehbar und verständlich ist. Der Minimalist gewinnt gewöhnlich an Ansehen und findet nicht selten Menschen, die in ihm ein Vorbild sehen. Wichtig sind hierbei stets wohlwollende Worte an die Kommunikationspartner. Der Ton macht die Musik und das ist hier sehr wichtig. Zu sensibel ist der Bereich und wer seine Freunde nicht verprellen möchte, sollte sie langsam mit dem eigenen Denken und Handeln vertraut machen. Nichts ist schwieriger zu verdauen und richtig einzusortieren, wenn man sich vor den Kopf gestoßen gefühlt, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Wiederkehrende Hinweise, dass ein Schweigen auf unwichtige Nachrichten nicht persönlich bewertet werden soll, sind besonders hilfreich. Dennoch sollte gleichzeitig das Gefühl von Zuverlässigkeit vermittelt werden. Es gibt eine klare Grenze zwischen einem Überkonsum nach Information und einem sinnvollen Kontaktaustausch. Leider ist die durch die Fülle der Möglichkeiten etwas verwässert und kaum noch klar erkennbar. Wer die Umsetzung jedoch freundlich und gleichzeitig bestimmt verfolgt, hat in einigen Wochen das Prinzip des Minimalismus im zwischenmenschlichen Austausch perfekt umgesetzt und dabei keine sozialen Kontakte verloren. Damit kann ein neues ganz privates Zeitalter der Kommunikation anbrechen. Nachrichten werden nach Wichtigkeit ausgetauscht und dem Bedürfnis nach einer tieferen Kommunikation kann wieder effektiver nachgegangen werden. Das lässt die Informationsflut an einem vorbeiziehen und dennoch bleibt die Integration in das soziale Netz bestehen.

Offline!

Hilfreich ist es, immer mal wieder offline zu sein und zu bleiben. Das Handy kann in wenigen Sekunden in den Flugmodus gebracht werden und damit schläft es sich ganz nebenbei auch gleich viel besser. Die ewigen kreisenden Gedanken verschwinden, sobald man es sich selbst erlaubt, einfach mal nicht erreichbar zu sein. Jeder hat eine andere Lebenssituation, aber dennoch bietet die Technik die Möglichkeit, für Notfälle erreichbar zu bleiben. Für alles andere bleibt auch später noch genügend Zeit. Die eigene Lebensphilosophie eines minimalistischen Informationsaustausches wird dazu führen, dass die Menschen in der Umgebung darüber nachdenken, wann sie zu welchem Zweck den Kontakt suchen. Es wird für beide Seiten entspannter und gleichzeitig steigt die Chance, bei der nächsten Begegnung einen intensiveren Austausch erleben zu dürfen. Wer den Minimalismus im Kommunikationsverhalten bis ins letzte Detail ausschöpft, schafft es sogar, am Ende des Tages seinen Posteingang komplett leer zu haben und kann sich an einem Gefühl des Erfolges freuen.