Einfach mal abschalten - Digitaler Minimalismus
Stefan Goedecke: Stärker als die Zeit

Digitaler Minimalismus – Einfach mal Abschalten

Funktioniert das Abschalten der digitalen Kommunikation in der modernen Welt überhaupt noch oder endet das in der sozialen Isolation? Eine spannende Frage, der wir mit den Überlegungen in diesem Beitrag nachgehen wollen.

Das Alltagsleben vieler Menschen in Westeuropa ist geprägt von Smartphones, Social-Media-Accounts, mehreren Mail-Adressen und verschiedenster Messenger-Apps. Es gibt so viele Möglichkeiten, um mit Menschen in Kontakt zu treten und sich auszutauschen. Verabredungen sind schneller möglich, Verspätungen können besser kommuniziert werden und der Gedankenaustausch untereinander ist rasant.

Demgegenüber steht der Lebensstil des Minimalismus. Dieser besagt, dass eine Reduzierung jeglichen Überflusses zu einer besseren Lebensqualität führt.

„Selbst Schweiger werden zu digitalen Schwätzern.“

Im digitalen Austausch flattern Nachrichten im Sekundentakt bei dir ein. Auch wenn sich diese quantitativ pro Nachricht verringert haben, so passt dies sicher nicht in dein Lebenskonzept des Minimalismus. Nur weil eine Nachricht kürzer wird, steigt nicht automatisch deren Gehalt. Die Schwierigkeit, einen minimalistischen Lebensstil im Umgang miteinander umzusetzen, bringt auch Konflikte mit sich. Ein Leben im Minimalismus hinter verschlossenen Türen zu leben, ist das eine, aber im Kontakt mit anderen Menschen kann er leicht verletzend und missverstanden werden.

Daher gilt hier für dich, empathisch zu agieren und vielleicht auch mehr von deiner eigenen Philosophie zu erklären. Der Minimalismus innerhalb der Kommunikationsmedien bedeutet hier beispielsweise, dass du dich auf einen Messengerdienst beschränkst und nach Möglichkeit nur einen E-Mail-Account nutzt. Dennoch ändert das wenig an der Fülle der Nachrichten. Rundmails finden wir schon seit Jahren eher belästigend. Schlimmer noch sind die Spam-Nachrichten, die emotional gehalten sind und am Ende auffordern, sie an Freunde weiterzuleiten, denn sonst würde etwas Schlimmes geschehen. Kaum hast du die eine Kettenmail gelöscht, kommt sie erneut aus einer anderen Richtung. Ein freundlicher Hinweis führt selten zu einem Stopp und ein deutlicher No-go-Hinweis bedeutet oft gleichzeitig einen vollständigen Ausschluss, da viele Menschen pikiert reagieren.

Nicht immer ist solch ein Ausschluss schlimm, aber sicher kennst du das Gefühl, dich einerseits belästigt zu fühlen, aber dennoch nicht in der Lage zu sein, deutliche Worte zu finden, die auch richtig verstanden werden. Die positive Nachricht ist, dass du zu einem angenehmeren Lebensgefühl kommst, wenn du die Grenzen klar absteckst. Der innere Druck, ständig online sein zu müssen, fällt ab und die Angst vor Vorwürfen sinkt, wenn du dich erst einmal innerlich davon befreit hast.

Was kannst du tun?

Eine Möglichkeit deiner persönlichen Reduktion ist, die Kontrolle über den Messengerdienst durch die individuellen Einstellungsmöglichkeiten wieder zurück zu gewinnen. Wenn du jedoch gleichzeitig alle technischen Möglichkeiten nutzt und selbst nicht überflutet werden möchtest, braucht die Umstellungsphase in den Köpfen der anderen Menschen etwas Zeit.

Diese Zeit mag turbulent und voller Missverständnisse sein, aber letztlich ist dies der lohnendere Weg. Klare Ansagen helfen dir. Ein Nichtreagieren ebenfalls. Dennoch solltest du die Kommunikation nicht gänzlich abbrechen. Wir erleben es in der Politik. Auch wenn sich ein Bündnispartner nicht so verhält, wie es wünschenswert wäre, so bleibt man im Kontakt und sucht weiterhin das Gespräch. Bei einem nächsten persönlichen Treffen steigern sich in den meisten Fällen die Aufmerksamkeit für deine vorgebrachten Themen und das Verständnis für deinen Standpunkt.

Digitalen Minimalismus richtig kommunizieren

So ähnlich funktioniert der Minimalismus auch im digitalen Zeitalter. Die Vorteile der Technik kannst du in vollem Umfang nutzen, wenn deine Mitmenschen informiert sind und Zeit haben, sich mit deinen Vorgaben des Minimalismus anfreunden zu können. Dein Standpunkt wird toleriert und respektiert, wenn er nachvollziehbar und verständlich ist. Du gewinnst gewöhnlich an Ansehen und findest nicht selten Menschen, die in dir ein Vorbild sehen.

Wichtig sind hierbei stets deine wohlwollenden Worte an die Kommunikationspartner. Der Ton macht die Musik und das ist hier besonders wichtig. Zu sensibel ist der Bereich und wenn du deine Freunde nicht verprellen möchtest, solltest du sie langsam mit deinem eigenen Denken und Handeln vertraut machen.

Nichts ist schwieriger zu verdauen und richtig einzusortieren, wenn man sich vor den Kopf gestoßen fühlt, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Wiederkehrende Hinweise von dir, dass ein Schweigen auf unwichtige Nachrichten nicht persönlich bewertet werden soll, sind besonders hilfreich. Dennoch solltest du gleichzeitig das Gefühl von Zuverlässigkeit vermitteln. Es gibt eine klare Grenze zwischen einem Überkonsum von Information und einem sinnvollen Kontaktaustausch.

Leider ist diese Grenze durch die Fülle an Möglichkeiten etwas verwässert und oft kaum noch klar erkennbar. Wenn du die Umsetzung jedoch freundlich und gleichzeitig bestimmt verfolgst, hast du in einigen Wochen das Prinzip des Minimalismus im zwischenmenschlichen Austausch perfekt umgesetzt und dabei dennoch keine sozialen Kontakte verloren. Damit kann ein neues, ganz privates Zeitalter der Kommunikation für dich anbrechen. Nachrichten tauscht du nur nach Wichtigkeit aus und dem Bedürfnis nach einer tieferen Kommunikation kannst du wieder effektiver nachgehen. Das lässt die Informationsflut an dir vorbeiziehen und dennoch bleibt deine Integration in das soziale Netz bestehen.

Offline!

Helfen kann dir, immer mal wieder offline zu sein – und zu bleiben. Das Handy kannst du in wenigen Sekunden in den Flugmodus bringen. Ganz nebenbei schläft es sich so auch gleich viel besser. Heute wird dies bereits in Form von „Schlafenszeitmodus“ als spezielles Feature einiger Mobiltelefone angeboten, um das „Digital Well-being“ zu fördern.

Die ewig kreisenden Gedanken verschwinden, sobald du es dir selbst erlaubst, einfach mal nicht erreichbar zu sein. Jeder hat eine andere Lebenssituation, aber dennoch bietet die Technik die Möglichkeit, für Notfälle erreichbar zu bleiben. Für alles andere bleibt dir auch später noch genügend Zeit.

Deine eigene Lebensphilosophie eines minimalistischen Informationsaustausches wird dazu führen, dass die Menschen in deiner Umgebung darüber nachdenken, wann sie zu welchem Zweck den Kontakt mit dir suchen. Es wird für beide Seiten entspannter und gleichzeitig steigt die Chance, bei der nächsten Begegnung einen intensiveren Austausch erleben zu dürfen. Wenn du den Minimalismus im Kommunikationsverhalten bis ins letzte Detail ausschöpfst, schaffst du es sogar, am Ende des Tages deinen Posteingang komplett leer zu haben und kannst dich an einem Gefühl des Erfolges freuen.

Bildquellen: Stefan