Das Telefon klingelt. „Was machst du heute? Gehen wir einen Kaffee trinken?“, fragt die ehrgeizige Stimme am anderen Ende. Ich sage: „Nein, ich bin heute beschäftigt“, und lege auf. Ich schalte mein Smartphone auf „Stumm“ und lege es weg. Nach einer Weile nehme ich es wieder in die Hand und schalte es aus. Eine gute Entscheidung.

Heute wäre ein wunderbarer Tag, um ins Freibad zu gehen. Ich könnte mich mit einer Kollegin im Biergarten treffen. Oder ich mache vielleicht einen Spaziergang am See. Mein Fahrrad wartet nur darauf, entstaubt und aufgepumpt zu werden. Etwas Gesellschaft täte ihm sicher gut. Ich bin aber zu beschäftigt. Heute mach ich mal gar nix. Ich bin viel zu beschäftigt damit, gar nix zu tun, so dass ich nicht einmal ein schlechtes Gewissen habe.

Termine, Termine und nochmals Termine

Unter der Woche jage ich von einem Termin zum anderen. Mein Smartphone ist nicht nur ein Telefon. Es ist Uhr, Kalender, E-Mail Programm und Facebook gleichzeitig. Ich bin nicht nur immer, sondern auch überall erreichbar. Twentyforseven. 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche. Mein Uhr-Kalender-E-Mail-Gerät ist laufend an. Manchmal liegt es schnaufend auf der Ladestation. Auch ich liege abends schnaufend auf meiner Ladestation. Mein Akku lädt dann 6 Stunden auf – so lang ist meine Nacht – und dann geht es voller Ehrgeiz wieder ans Arbeiten.

Ich erzähle ja hier nichts, was dir unbekannt wäre. Ich rede doch über ein ganz normales Phänomen, das Frauen und Männer in unserem Alter kennen. Wir stehen mitten im Berufsleben, haben vielleicht familiäre und andere gesellschaftliche Verpflichtungen, treiben Sport oder tun neben dem Job noch etwas für unsere Verstandeskraft.

Hand auf’s Herz: Wann hast du das letzte Mal auf der Couch gesessen und die Decke angestarrt? Und wann hast du das letzte Mal kein schlechtes Gewissen dabei gehabt?

Keine Ausreden mehr – ein schlechtes Gewissen ist nicht angebracht

Ich gebe zu, Gelassenheit ist nicht gerade mein zweiter Vorname. Sitze ich einfach nur so da, fallen mir die nächsten Aufgaben ein, die erledigt werden wollen. Wenn es gerade nicht die Steuererklärung ist, dann ist es vielleicht einfach nur ein Buch, das mir ein Freund empfohlen hat. Dem muss ich ja auch noch Rechenschaft darüber abgeben, ob es mir gefallen hat oder nicht.

Es tummelt sich eine ganze Herde voller Hummeln in meinem Hinterteil, die mich einfach nicht still sitzen lassen. Dabei ist es ganz wichtig, dass diese Viecher einfach mal Ruhe geben. Die Frage nach dem Warum stellt sich dabei gar nicht. Entscheidend ist, dass ich eine Pause machen möchte und diese Pause möchte ich nicht mit neuen Beschäftigungen füllen. Ich bin nämlich schon beschäftigt. Ich bin damit beschäftigt, nichts zu tun.

Heute ist Sonntag. Mein Smartphone ist aus. Niemand kann mich anrufen und ich checke auch keine E-Mails. Es ist Sonntag und ich gehe weder ins Freibad noch mache ich einen Spaziergang oder lese ein Buch. Ich sitze einfach nur so da. Ich mache heute mal gar nix. Und ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen.

Bildquellen: Raphael Hilliger