Sonntagnachmittag. Ich sitze neben ihm auf der Couch. Abgeschlagen, müde und traurig schaut er mich an. Streckt seine kleinen heißen Hände nach mir aus. Und ich weiß, für ihn bin ich in diesem Moment der wichtigste Mensch in seinem Leben auf der ganzen großen Welt. Und der einzige Mensch, der hier sitzen soll. Eine Mischung aus Mutterliebe, Dankbarkeit und Mitgefühl durchströmt mich. Wir halten uns an den Händen. Ganz fest. Ganz lange. Ohne ein Wort …

Und dann, mitten in diese innigen Augenblicke hinein, plärrt er los. Mein Kopf: „Mensch Anja, weißt Du eigentlich, was nächste Woche alles aufm Zettel steht? Wie soll das denn gehen? Du hast letzte Woche schon so viel geschoben. Ist ja klar, immer dann, wenn es grad überhaupt gar nicht passt, ist irgendwas! So ein Mist! Schau halt mal in Deinen Kalender! Der ist VOLL! Du bist so UNZUVERLÄSSIG!“

Eine ganze lange Weile geht das so. Aufgebracht und gefühlt ohne Punkt und Komma trampeln sie laut durch meinen Kopf. Die Gedanken. Und reden auf mich ein. Dass hier gerade etwas falsch ist, dass hier gerade etwas anders zu sein hat. Und dass diese Situation ganz und gar nicht nach Plan läuft, dass etwas im Leben geändert werden muss… Jetzt. Sofort. SOFORT! Was sollen nur die anderen denken?!

Und es wirkt. Ich beginne, mich zu verspannen. Dann kommen Kopfschmerzen. Am Abend fühle ich mich miserabel. Und neben mir mein Glühwürmchen. Schlapp und müde und unglücklich mit sich und der Situation…

Irgendwann ist es spät. Der Kleine schläft. Schon lange. Und ich? Sitze ohne Zeitgefühl im dunklen Zimmer neben ihm. Lausche seinem Atem. Und spüre ganz deutlich, dass ich genau HIER richtig bin. Dass genau DAS richtig ist. Nach und nach setzt sich der Gedankenstrom. Und Ruhe kehrt in mir ein. Ruhe und Vertrauen. Vertrauen ins Leben.

Dieses Leben, das einfach so stattfindet. Unabhängig von dem, was ich will. Unabhängig von dem, was ich vorgesehen hatte. Und unabhängig von Konventionen, Verpflichtungen und dem allgegenwärtigen „Aber Du musst doch […]“. Hier und jetzt findet es statt. Und auch, wenn ich versuche, es mit Plänen und Kalendern zu organisieren, zu kontrollieren… Es nimmt seinen Lauf. Und mal fühlt es sich wunderschön und einfach an, … dann wieder anstrengend, herausfordernd, traurig bis niederschmetternd, … Und ich kann daran teilnehmen. Oder mich dagegen wehren. Dann, wenn es mir nicht passt. Weil es nicht nach Plan läuft. Sich nicht nach Glück anfühlt.

Und wie ich da so sitze, muss ich plötzlich schmunzeln. Weil ich meine Wahl doch längst getroffen habe… und mir mein Kopf heute trotzdem reingepfuscht hat. In mein Leben.