Seine tiefsten Herzensschwüre in einen Umschlag stecken? Bei vielen wird der letzte handgeschriebene Brief schon eine Weile her sein. Die letzte Whats-app hingegen lässt sich problemlos abrufen, und Herzen auf Knopfdruck gibt es jede Menge. Warum also einen Liebesbrief schreiben?

Morgens zum Briefkasten hinunter zu gehen oder aber nach der Arbeit kurz nochmal hineinzuschauen und einen Brief zu entdecken, der nicht von den Stadtwerken, der Bank oder der Krankenkasse ist, löst Aufregung in uns auf. Natürlich sind selbst dann Briefe heutzutage meistens dann doch „nur“ Geburtstagswünsche oder vielleicht mal eine Postkarte, aber das ist schon völlig genug. Der Gedanke, dass jemand sich hingesetzt hat und mit Stift die Gedanken für einen niedergeschrieben hat, löst wohlige Gefühle aus. Menschen denken an uns, wollen uns zeigen, dass sie an uns denken und wir ihnen wichtig sind. Die Hochglanzkarten von fernen Orten lassen sich dann gut in die Küche an die Pinnwand oder den Kühlschrank hängen und auch für die Geburtstagskarten findet man einen Platz. Aber wann war das letzte Mal ein richtiger Brief drin? 

Zutaten für den perfekten Liebesbrief

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, muss man bei den Basics anfangen: Wann hatten wir denn überhaupt das letzte Mal einen Füller in der Hand? Bei mir ist das glaube ich in der Grundschule gewesen. Den habe ich nämlich sogar letztens beim Aufräumen herausgekramt. braune Hülle, roter Deckel, Patronen von Lamy. Dann bin ich anscheinend doch relativ schnell auf Kugelschreiber umgestiegen. Natürlich müssen Briefe nicht zwangsläufig mit Tinte geschrieben werden, aber sind wir mal ehrlich: Am meisten Stil hat es auf jeden Fall.

Beim Durchkramen der Schreibtischschublade ist mir neben dem Füller noch etwas anderes in die Hände gefallen: Briefpapier samt Umschlägen. Wo kommt das denn her? Ganz zartes Papier, verziert mit Blümchen in der Ecke plus Kuvert. Die könntest du eigentlich mal wieder benutzen, denke ich mir. Da fällt mir ein, dass ich dafür ja Adressen bräuchte. Straßennamen, Hausnummern UND Postleitzahlen. Ganz schön anstrengend. Die Nummern meiner liebsten Menschen sind natürlich im Handy eingespeichert und immer abrufbar, aber die Adressen sind nochmal eine ganz andere „Hausnummer“. 

Die besten Liebesbriefe entstehen, wenn man vorher nicht weiß, was man schreiben wird und hinterher nicht weiß, was man geschrieben hat.

Jean-Jacques Rousseau

Briefe sind nicht nur für romantische Liebe gedacht

Natürlich kann man immer einfach mal so einen Brief schreiben und über den Alltag berichten, ein paar Stories der letzten Wochen erzählen und die andere Person nach ihren Erlebnissen ausfragen. Mit zehn war ich im Urlaub mit meinen Eltern auf einem Ponyhof. Dort war es dann so weit: Ich freundete mich beim Striegeln von Pferd Mentos mit einem Mädchen an, mit der ich die „beste Zeit für immer immer und ewig“ verbrachte. Nach einer Woche musste ich mich von Mentos als auch von ihr wieder verabschieden. Unter viel Tränen schlugen uns unsere Mütter vor, dass wir eine Brieffreundschaft haben könnten (ein Handy hatten wir noch nicht). Wir beide lächelten uns mit verheulten Augen an und sagten uns, dass wir uns jeden Monat schreiben würden.

Am Anfang hat das auch noch geklappt. Pünktlich war alle 30 Tage ein Brief von ihr im Briefkasten, natürlich geschrieben auf Pferdepapier, so hatten wir uns immerhin kennengelernt. Die Briefe waren keine lyrischen Meisterwerke, wir waren  schließlich erst zehn. Trotzdem waren sie immer top gestaltet, verziert mit vielen Pferdestickern, Herzen und natürlich mit verschiedenfarbigen Stiften. Und wir hatten uns wirklich lieb. Nach ungefähr einem Jahr wurde der Kontakt immer sporadischer, bis er irgendwann völlig abbrach. Ich habe von ihr heute keine Daten mehr, keine Nummer, Adresse nichts. Da alles nur auf Zetteln festgehalten war und nichts digital, habe ich alles verloren.

Meine Oma hat das schon immer etwas schlauer gelöst. Mit Hilfe eines riesigen Adressbuches und eines Kalenders mit Geburtstagen, hatte sie den Überblick über alles. Diese Bücher und Kalender wurden immer auf dem neuesten Stand gehalten. Daran kann man sich auf jeden Fall mal ein Beispiel nehmen. Brieffreundschaft und postkarten hin oder her, es gibt eine Art von Brief, die unser Herz zum Stolpern bringt.

Briefe gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann. Der Brief ist eine Art Selbstgespräch.

Johann Wolfgang von Goethe

Den ersten echte Liebesbrief schreiben

Ob heimlich in der Schule zugeschoben oder doch ganz klassisch im Briefkasten, ein Zettel mit den Gefühlen einer anderen Person, wirft einen ganz schön aus der Bahn. Als ich drüber nachgedacht habe, wie lange der letzte her ist, fiel mir zu Beginn mein allererster echter Liebesbrief ein. Fünfte Klasse, eine Woche Klassenfahrt in den Harz, Mädchen und Jungs in getrennten Zimmern, aber auf demselben Flur. Schon eine ganze Zeit lang fand mein 11-jähriges Ich einen Jungen aus der neuen Klasse auf dem Gymnasium gut. Ihm fiel dann in der Jugendherberge auch die einzigartigste Art eines Liebesbriefs ein: Auf dem Zettel, der unter der Tür des Mädchenzimmers durchgeschoben wurde, stand mein Name und in krakeliger Schrift ein „Wollen wir zusammen sein? Ja, Nein, Vielleicht mal schauen“.

Ich habe „Vielleicht mal schauen“ angekreuzt, wollte aber natürlich unbedingt seine Freundin sein. Wieder zu Hause angekommen hatten wir dann einen aufregenden Monat, in dem viele Diddl-Blätter getauscht und Fünf Freunde-Hörspiele gehört wurden. Relativ schnell war der Funke zwischen uns auch irgendwie weg, aber den Brief habe ich tatsächlich immer noch. In einer kleinen Kiste mit Erinnerungen liegt er seit 10 Jahren.

Während ich schreibe, fällt gerade ein, dass es doch noch eine Art „Liebesbrief“ davor gab. In der zweiten Klasse gaben uns die Jungs Zettel auf denen Stand, zu wie viel Prozent sie uns hübsch finden. 100% wurden aufgeteilt zwischen den sechs Jungs der Klasse. Wir Mädchen fanden das natürlich „total doof“ und „fies“, innerlich haben wir uns aber sogar geschmeichelt gefühlt, wenn ich mich recht erinnere. Wow.

Briefe zu schreiben ist die schönste Art, Zeit zu vergeuden.

John Morley

Herzen verschicken mit dem digitalen Liebesbrief

Ganz problemlos lassen sich mit dem Smartphone Liebesbekundungen verfassen. Wie viele Liebesdiskussionen, Beziehungsstreits und Versöhnungsnachrichten mit diesen kleinen Geräten geschrieben wurden, kann ich nicht mehr an einer Hand abzählen. Aber sind die Worte denn überhaupt so viel wert, nebenbei mit Autokorrektur eingetippt?

Für unsere heutige Generation auf jeden Fall. Durch das Aufwachsen mit dieser Art des miteinander Kommunizierens bedeutet ein „Ich liebe dich“ Herz-Emoji auch tatsächlich das, was es meint. Kaum zu glauben für die Generation, die noch mit handgeschrieben Liebesbekundungen aufgewachsen sind. Trotzdem ist es wichtig, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass diese digitalen Liebesschwüre abstumpfend wirken können. Man verschickt sie schneller, unüberlegter und es kommt vor allem in Streitsituationen mit geliebten Menschen häufiger zu Missverständnissen.

Mein letzter Freund und ich konnten uns mit Texten, die so lang waren, dass man auf dem Bildschirm von Whatsapp scrollen musste, stundenlang streiten. Genauso lange konnten wir uns aber auch schreiben, wie sehr wir uns lieben und wie unglaublich froh sind, dass wir uns haben. Es gibt ein unglaublich schönes Gefühl, früh auf sein Handy zu schauen und eine kleine Gute-Morgen Nachricht oder einen süßen Emoji auf dem Bildschirm zu sehen. Das können Briefe leider nicht, allein schon wegen der Zeitverzögerung aber auch, weil gemalte Emojis einfach nicht so cool aussehen, wie die echten. 

An den guten alten Briefkästen werden sich selbst Internet wie Mobilfunk die nicht vorhandenden Zähne ausbeißen.

Martin Gerhard Reisenberg

Trau dich, auch mal einen Liebesbrief zu schreiben

Fazit: Über Nachrichten von unseren Liebsten freuen wir uns, egal ob in Schriftform oder digital. Wenn man sich aber wirklich mal wieder die Zeit nehmen würde, einen Brief zu schreiben, so wären auch die Worte auf dem Zettel um einiges mehr gewählt und durchdacht. So ist es möglich, nochmal mehr Emotionen rüberzubringen, als mit der Handytastatur.  Also Stifte und Papier raus und drauf losgeschrieben.

Das diese Schlussfolgerung aus diesem Text folgt war natürlich klar und sehr vorhersehbar. Ich meine es aber ernst. Die schnellen getippten Nachrichten verlieren so schnell an Bedeutung, wenn man bedenkt, zu was für Zeitpunkten sie geschrieben werden: auf dem Klo, in der Bahn, in der Supermarktschlange. Da geht doch direkt jede Romantik flöten. Vielleicht also doch einfach nochmal den inneren Dichter herauslassen und paar Zeilen verfassen.

Der perfekte Brief

Wenn man googelt, wie man den perfekten Liebesbrief schreibt, dann bekommt man ein paar Tipps, wie man sein Schriftstück zu einem ganz besonderen macht. 

1. Flaschenpost
Zusammenrollen und mit Gummiband zusammenhalten. Wer das Papier rollt und direkt in die Flasche steckt, riskiert, dass es sich in der Flasche aufrollt und nicht mehr rauskommt.

2. Lieblingsparfüm 
Wer dem Brief eine besondere Duftnote geben will sollte aufpassen, dass die Tinte nicht beim Aufsprühen verläuft. Beides verträgt sich nicht so gut miteinander. 

3. Einleitung, Hauptteil, Schluss

Vorsicht vor zu detaillierten Tipps und Beschreibungen für den Aufbau deines Liebesbriefes. Wir sind nicht im Deutschunterricht und auch nicht an der Uni. Wichtig sind Gefühle, ob diese nun chaotisch oder geordnet sind, ist dabei völlig egal. Einfach drauflos schreiben ist okay!

Annika Franz

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