Leuchtend gelb, feuer- oder purpurrot türmen sich auf den Basaren Gewürze. Die exotischen Düfte kitzeln die Nase und ihre Namen klingen wie Zauberformeln. Begleiten Sie mich auf eine Reise der Sinne, die Zungenspitze und Gaumen zum Glühen bringen wird.

Die Scoville-Skala des US-amerikanischen Pharmakologen Wilbur L. Scoville mag der Wissenschaft dazu dienen, Schärfe zu messen. Die wahre Glut eines gut gewürzten Bissens wird sie nie beurteilen können. Auch wie der Gesichtsnerv Nervus trigeminus mit seinen freien Nervenden damit umgeht. Wenn Nase und Mundhöhle scharfe, prickelnd-beißende oder stechende Reize melden. Anatomisch gesehen ist das zwar seine Aufgabe, aber von Genuss hat auch er keine Ahnung.

Die Verbindungen zu diesem Nerv lassen sich durch Schärfe so reizen, dass sie Schmerz signalisieren. Sie treten vermehrt auf der Zungenoberfläche auf. So wirken sie wie der Katalysator für eine lustvolle Erfahrung. Die Rezeptoren in den Schleimhäuten werden verstärkt durchblutet und intensivieren die Wahrnehmung für die Explosion auf der Zunge. Diese schleicht dann durch Gaumen und Speiseröhre, um sich im Magen niederzulassen. Auch wenn dies in einem Bruchteil von Sekunden passiert. Leib und Seele registrieren es mit Wohlwollen und belohnen es durch die Freisetzung von Glückshormonen.

Ein scharfes Duo

Manche Gewürze, sind mittlerweile so etabliert ist, dass sie überhaupt nicht mehr exotisch erscheinen, wie beispielsweise Senfsamen. Bereits vor 3 000 Jahren wusste man in China um ihren positiven Einfluss auf den Verdauungsapparat. Und hat sie daher zum Würzen von Speisen verwendet. Über Kleinasien wanderte das Senfkorn in Griechenland ein. Landete schließlich als Gewürz auch in römischen Kochtöpfen, von wo aus es nach ganz Europa kam. Während die unbearbeiteten Samenkörner mild und nussig schmecken, entwickelt das im Senfkorn eingebettete Sinigrin seine Schärfe im entölten, geschroteten Korn. Zusammen mit Essig und Wasser wird daraus, was auf die Wurst kommt. Angeröstet und zerstoßen gibt es vielen indischen Reis- und Gemüsemahlzeiten einen herzhaften Geschmack.

Nicht so weit musste der in Süd- und Osteuropa beheimatete Meerrettich gehen. Auch wenn die Wurzel manchmal zu Tränen reizt, bilden die beiden ein Duo. Über Jahrhunderte sorgte es im europäischen Raum für erschwinglichen, herzhaften Geschmack.

Gepfefferte Tatsachen

Als der Dichter Friedrich Rückert im 19. Jh. schrieb: „Das kleine Pfefferkorn sehe für gering nicht an. Versuch es nur und sieh, wie scharf es beißen kann“, da hatte dieses Körnchen schon eine lange Reise hinter sich. Als Alexander der Große um 326 v. Chr. indischen Boden betrat, öffnete er nicht nur militärische Wege, sondern beflügelte auch den Warenaustausch. So kam das seit Jahrtausenden kultivierte Pfefferkorn als kostbare Ware bis ins heutige Europa, wo es reißenden Absatz fand.

Neben Importeuren aus dem Orient hielt Venedig die Handelsfäden in der Hand. Und musste erst loslassen, als der Portugiese Vasco da Gama (1469-1524) den Weg in die indische Pfeffermetropole Calicut öffnete. Nach der Umseglung des Kaps der guten Hoffnung betraten seine Leute mit dem Ruf „Für Gott und Gewürz“ auf den Lippen das neue Land. Das Monopol der bisherigen Händler bröckelte – Lissabon hatte die Tür zum gewinnbringenden Gewürzehandel aufgestoßen.

Ein Familienclan

Heute ist Pfeffer aus den Kochtöpfen der Welt nicht mehr wegzudenken. Der Familienclan der „Pfefferartigen“ ist weit verzweigt, tritt in ganz unterschiedlichen Outfits auf. Er verträgt sich sehr gut mit anderen Gewürzen. Und freundet sich vor allem in letzter Zeit nicht nur mit Gebratenem und Gekochtem, sondern auch mit süßen Früchtchen an. Die mild-pikante Allianz kann, wenn sie gut ausgewogen ist, den Gaumen ganz schön kitzeln.

Für den sehr aromatischen schwarzen Pfeffer (Piper nigrum) werden die Beeren unreif geerntet und schonend fermentiert. Entsprechend seiner robusten Natur begleitet er kräftige Fleischspeisen, Wild oder Kohl. Mit dem gleichen Schärfegrad, aber einer fruchtig-süßlichen Note punktet der rote Pfeffer, dessen Rohware reif geerntet wird; in den Handel kommt der seltene „Rote“ getrocknet oder in Salzlake. Auch für den weißen Pfeffer werden die Beeren vollreif gepflückt, dann in Wasser eingeweicht, bis sich die rote Schale löst.

Wertvoll wie Gold
Bereits die Weisen aus dem Morgenland sollen dem kleinen Jesus neben Gold wertvolle Gewürze zu Füßen gelegt haben. Diese hatten seit Jahrtausenden als Räucherwerk und Medizin gedient: Weihrauch und Myrrhe. Auch wenn diese Gaben nicht der Zubereitung von Nahrung dienten – sie waren wertvoll wie Gold. Gewürze, die aus Essen Leidenschaft machen, werden zwar nicht mehr mit Edelmetall aufgewogen. Ein Hauch von Tausendundeiner Nacht ist aber geblieben.

Mit der Hülle geht zwar Aroma verloren, die Schärfe sitzt jedoch fest eingeschlossen im Kern. Der „Weiße“ ist etwas für die Last-Minute-Schärfe – er verändert nicht den Charakter einer Speise, sondern macht sie nur pikanter. Etwas sanfter in seiner Art ist der „Grüne“. Die noch unreifen Beeren behalten durch ein gepflegtes Salzbad oder kurzes, schnelles Erhitzen Farbe und vollmundige Würze. Ein etwas sonderbares Familienmitglied ist der Lange oder Bengalische Pfeffer (Piper longum), ein bissiger Geselle mit zimtfeinem, erdigem Geschmack. Die winzigen Pfefferbeeren sind mit ihren Fruchtstielen verwachsen und ähneln kleinen, ungefähr 3 cm langen Zapfen.

Dann gibt es noch einige bekannte Gewürze, die mit der Pfefferfamilie nicht einmal weitläufig verwandt sind. Aber sich gerne mit dem guten Namen schmücken. Der Szechuanpfeffer oder Zitronenpfeffer aus der chinesischen Provinz Sinchuan ist nicht einmal verschwägert mit dem Pfefferclan. In Sachen Schärfe kann er jedoch mithalten. Doch dieses feine, leidenschaftliche Prickeln auf Zunge und Gaumen, verbunden mit einem Hauch von Zitrone – das hat nur er.

Scharfe Schoten

Ein weitaus schwereres Kaliber unter den Gewürzen ist der Cayennepfeffer, aber eben kein Pfeffer. Folgen wir seiner Spur, müssen wir nicht nur den Kontinent wechseln, wir tauchen in eine ganz neue Schärfedimension ein. Die Chilischote mit ihrem Wirkstoff Capsaicin lädt den Genießer auf eine Gratwanderung zwischen Leidenschaft und Höllenfeuer ein. Diese kann man nur mit Alkohol oder Fetthaltigem löschen, niemals mit Wasser.

Prähistorische Funde in Lateinamerika verweisen auf eine lange Tradition der Chili. Chiltepin oder Tepin gilt als die Mutter aller Schoten. Die Verwendung der „Ur-Chili“ und ihrer kaum erbsengroßen Beeren als Würz- und Wundermittel reicht ungefähr 9 000 Jahre zurück. Bei vielen Indios gilt sie auch heute als heilige Pflanze. Sie schützt vor Hexerei gehörte und bereits bei der Erschaffung der Erde dazu. So mancher Stamm traut keinem über den Weg, der Chilis verschmäht. Ob die grüne Jalapeno als Einsteiger-Chili, der feurige Spitzenreiter Habanero oder sein indischer Schotenkollege und Guinness-Buch-Rekordler Bhut Jolokia. Die meisten heute kultivierten Chilipflanzen stammen von der wilden Chiltepin ab.

„Wer das Scharfe liebt, dem steht eine riesige Welt aus feurigen Möglichkeiten offen.“

Den Weg nach Europa fand die längliche oder rundliche Frucht mit der pikanten Schärfe im Schlepptau der spanischen und portugiesischen Seefahrer. Diese gingen im 15. Jahrhundert in der „Neuen Welt“ an Land. Die unbekannte Frucht diente als Ersatz für den teuren Pfeffer. Auch Kolumbus ging ihr auf den Leim. Er glaubte fest daran, dass er das Land gefunden hatte, „wo der Pfeffer wächst“. Ganz gleich, ob sie sich Habaneros, Jalapeno, Chili oder Peperoni nennt. Die Schote, die heute auf den Tisch kommt, steht für eine bissige, manchmal bittere, manchmal etwas rauchige Schärfe, die direkt zur Sache kommt. Als Pulver, Fäden oder Flocken kann sie Zunge und Gaumen schon in kleinsten Mengen zum Glühen bringen. Je nach Sorte und Verarbeitung.

Der „falsche“ Pfeffer
Als Kolumbus sich auf den Antillen im Pfefferland wähnte, nannte er den immergrünen Baum mit den dunklen Beeren stolz Pimienta (span. Pfeffer). Als er seinen Irrtum bemerkte, wandte er sich enttäuscht von dem Baum ab. So kam das exotische Gewächs, das in der karibischen Küche eine feste Größe ist, erst 200 Jahre später nach Europa. Dort wurde es aber sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Eine echte Bereicherung für Fleisch- und Fischgerichte, Marinaden und zur Wurstherstellung.

Gewürze wie Feuer

Ein richtiger Scharfmacher, der wirklich vorsichtig dosiert sein will, ist der bereits erwähnte Cayennepfeffer. Die schlanken Schoten der Chilisorte Cayenne werden getrocknet, manchmal auch fein geräuchert und dann zermahlen. Das Pulver hat einen hohen Capsaicin-Gehalt und bringt damit richtig Feuer in die Mahlzeit – Leidenschaft pur.

Französischen Charme dagegen beweist das Pulver aus der Paprikapflanze „Gorria“. Sie wird seit ungefähr 1650 im französischen Baskenland um das Dorf Espelette angebaut. Nur an den Ausläufern der Pyrenäen fand die Weitgereiste, die mit baskischen Seeleuten aus Mexiko kam, das richtige Mikroklima. Roh und frisch geerntet brennt die Frucht der „Gorria“ im Rachen wie Feuer. Getrocknet und zu Pulver verarbeitet ist „Mademoiselle“ Piment d’Espelette eine edle Begleiterin der baskischen und französischen Küche. Ob „Mademoiselle“ auch die Liebeslust weckt? Der Verdacht besteht und wartet auf Beweise …

„Chilipulver“ oder „Chilipfeffer“ kommt bevorzugt in der texanisch-mexikanischen Küche in den Topf. Es ist allerdings eine amerikanische Kreation aus dem 19. Jh. und eher eine robuste Mischung: Cayennepfeffer, Kreuzkümmel, Knoblauch und Oregano gehören zur Stammbesetzung.

Der pikante Gentleman unter den Gewürzen

Nach dieser gaumenreizenden Amerikatour der Gewürze springen wir zurück nach Asien, um weitere charmante Küchengeister näher kennenzulernen. Ingwer besticht zunächst durch das feine Zitronenaroma. Doch davon darf man sich nicht einwickeln lassen: er kann auch beißen und kratzen. Ebenso aber dem Körper wohlige Wärme von innen schenken. Seit dem 6. Jh. v. Chr. schätzen Inder und Chinesen den Ingwer nicht nur als Freund der Küche, sondern auch als medizinischen Helfer.

Galgant ist in Geschmack, Aussehen und Verwendung sehr ähnlich: ebenfalls scharf, aber mit dezenter Zimt- und Pfeffernote. Die thailändische, indonesische und malaysische Küche ist sein Reich – dort hat er sich bereits unentbehrlich gemacht; in Europa hofft er noch auf den großen Durchbruch. Ob in Wok- oder Schmorgerichten. Mit Kokosmilch, im thailändischen Getränk Jamu. In Gewürzpasten. Als Bestandteil von Curry oder der marokkanischen Gewürzmischung Ras el-Hanout. Galgant spielt eine unauffällige, aber perfekte Rolle.

„Heute ist der Pfeffer aus den Kochtöpfen der Welt nicht mehr wegzudenken.“

Das leuchtend gelbe Kurkuma (Gelbwurz), die heilige Pflanze Südostasiens, erreichte Europa ebenfalls schon im Mittelalter. Das Rhizom hat frisch ein leicht brennendes harzartiges Aroma, getrocknet und zermahlen wirkt es milder und etwas bitter. Heute kommt Kurkuma als Heilpflanze ebenso wie als Färbemittel zu Ehren. Das gelbe Pulver würzt und färbt Speisen ebenso wie Curry.

Eine echte Kostbarkeit unter den Ingwergewächsen ist Kardamom, der „grün“ oder „schwarz“ verwendet wird. Der grüne ist eher ein Süßer und gerne zur Stelle, wenn die Verfeinerung von Kuchen, Schokolade oder arabischem Kaffee ansteht. In schwarz begleitet er mit feiner Schärfe Lammbraten und andere Ofengerichte. Die Araber schätzten auch dieses Gewürz als Aphrodisiakum – ob er heute als Bestandteil edler Parfums ähnlich wirkt?

Gewürze-Entdeckungstour

Wer sich auf einen Gewürzbasar vorwagt, wird sie alle finden. Die großen und kleinen Scharfmacher aus der Fremde mit ihren leuchtenden Farben. Die Gewürze mit ihrem faszinierenden Duft. Ihren teils zauberhaften Namen auf sich aufmerksam machen und nur darauf warten, von Neugierigen ausprobiert zu werden. Denn wer das Scharfe liebt, dem steht eine riesige Welt aus feurig-prickelnden Möglichkeiten offen.

Dieser Atikel stammt aus dem AUSZEIT-Magazin, das noch viele weitere Themen für euch bereithält.

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