Besserwisser leben den absurden Versuch, durch die Abwertung anderer, ihren eigenen Wert zu steigern. In meinem Kopf-Kino sehe ich jetzt jene, die empört den Kopf schütteln, sie wissen es einfach besser… Von ihnen kann ich mich auch gleich wieder verabschieden, denn sie werden nicht weiterlesen, …oder doch?

Und ich sehe jene, die sich bestätigt fühlen und erfreut mit dem Kopf nicken. Alle könnten sofort mit Beispielen aufwarten und ausführliche Geschichten darüber erzählen, wie sehr ihnen diese ewigen Besserwisser auf die Nerven gehen. Zu diesen zähle ich mich – es ist doch so schön, sich von Gleichgesinnten umgeben zu wissen!

Doch jetzt kommt’s: wenn ich diesen Film dann selbstzufrieden abstelle, Herz und Hirn wieder zu interagieren beginnen, dämmert es mir: diese zwei Lager gibt es in dieser Form in Wirklichkeit gar nicht: der Besserwisser, er lebt – er lebt in jedem von uns!

der Besserwisser, er lebt – er lebt in jedem von uns!

Dem will ich auf den Grund gehen, will wissen wieviel Raum ich ihm gebe und auch warum. So beginne ich in meinen Erinnerungsladen zu kramen und sieh‘ da, er begegnet er mir, er begegnet mir immer wieder. Sehe ich mir eine dieser Episoden genauer an, dann kann ich das Gefühl der Überheblichkeit, das an ihr klebt, noch förmlich spüren: „Ha, ich bin besser, ich weiß mehr als du!“.  Es beschert mir kleinliche Genugtuung. Was, bitte was, löst da Freude in mir aus? Mein kleines Ich meint dadurch größer geworden zu sein…

Der schale Geschmack, der zurückbleibt, will mir suggerieren ich bräuchte mehr davon. Mehr von diesem trügerischen Hochgefühl. Doch gleichzeitig fühle ich seine Flüchtigkeit. Ich fühle, dass es sich mir immer in dem Moment entzieht, in dem ich wähne, es erreicht zu haben. Eine dauerhafte Stärkung des Selbstwertgefühles ist mit diesem Besserwisser also nicht zu erreichen.

Und der, der auf den Besserwisser trifft? Das kennen wir auch alle: sobald wir jemanden als solchen entlarvt zu haben meinen, schalten wir auf Verteidigung oder Durchzug, sind also selbst für die wertvollsten Botschaften nicht mehr erreichbar.

Noch lässt er mich nicht los, dieser Besserwisser, ich versuche es anders: Wenn ich die übliche Verwendung dieses Wortes  einmal beiseitelasse, mich nur auf den Wortsinn selbst konzentriere, bleibt folgendes übrig: Jemand weiß etwas, das ein anderer nicht weiß. Daran klingt nichts mehr bedrohlich, geschweige denn gehässig, das ist eine ganz banale, ja alltägliche Gegebenheit.

Jemand weiß etwas, das ein anderer nicht weiß.

Geht es uns tatsächlich darum Wissen zu vermitteln oder unsere Sicht der Dinge mit anderen teilen, sollten wir diesen besagten Besserwisser besser zu Hause lassen, er ist uns bestimmt kein guter Ratgeber.  An seiner Stelle braucht es vor allem Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen, ganz besonders, wenn es um Kritik geht. Die Voraussetzung sich in andere einfühlen zu können ist, uns unserer eigenen Gefühle, Reaktionen und Verhaltensmuster immer mehr bewusst zu werden.  Zu überlegen: „Wie ginge es mir an seiner/ihrer Stelle?“, ist zielführend um die richtigen Worte, den passenden Tonfall zu finden, und ganz wichtig: das was wir sagen wollen, muss Angebot bleiben! Jedes ‚Du sollst, Du musst‘ macht jede auch noch so aufrichtige Bemühung sofort zunichte.

…und wenn er sich dennoch wieder einmal zeigt, der Besserwisser, dann schenke ich ihm ein mildes Lächeln und schicke ihn zurück, zurück in die Laden mit den Erinnerungen.

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