Wer frisches Gemüse und Obst aus der Region kauft, ernährt sich gesund, vielseitig und zugleich ökologisch vorbildlich. Rhabarber gehört überdies zu den ersten heimischen Frühlings- und Hoffnungsboten. Schon ab April steht Ihnen frischer Rhabarber auf den Wochenmärkten oder im Supermarkt zur Verfügung.

Rheum rhabarbarum ist eines der ersten Gemüse, das schon im Frühjahr wächst und sogleich geerntet werden kann. Bereits im Januar werden riesige Folien über den Feldern ausgebreitet, damit die Wurzeln, die im Boden überwintern, noch etwas schneller austreiben können. Erst im März, wenn die Blätter schon üppiger wachsen und die Rhabarberstängel ansprechend dick werden, werden die Folien entfernt. Im April kann der Rhabarber dann geerntet werden. Die Erntephase ist mit ungefähr drei Monaten recht lang.

Genau am „Johanni“, das ist der 24. Juni, ist Schluss mit lustig (gleiches gilt übrigens auch für den Spargel). Der Johannistag, beziehungsweise das Johannisfest, geht auf die Geburt Johannes’ des Täufers gleich nach der Sommersonnenwende zurück. Eine alte Bauernregel besagt, dass man Rhabarber nach Johanni nicht mehr essen sollte. Auf jeden Fall ist die Ernte dann tabu, wenn der Rhabarber zu blühen beginnt, weil nun die toxische Oxalsäure (C2H2O4) kontinuierlich aus den Blättern in die Stängel verfrachtet wird.

Eine kleine Geschichte

Ursprünglich stammt Rhabarber aus der riesigen Region der Mongolei und des südlichen Sibiriens. Eine erste schriftliche Erwähnung kann man im chinesischen Peng-King-Kräuterbuch (um 2700 v. Chr.) nachlesen und dabei findet man den Hinweis darauf, dass es sich um ein gutes Heilmittel handelt. Schon vor mehr als 5 000 Jahren wussten die Chinesen in Tibet von der gesundheitsfördernden Wirkung der Rhabarberwurzel, aus der damals ein Pulver gegen die Pest hergestellt wurde.

Übersetzt bedeutet sein Name „Rheum rhabarbarum“ in etwa „Wurzel der Barbaren“. Die Tataren bauten Rhabarber in der Nähe von Flussufern an und handelten mit den Römern. Für die Römer waren die Tataren ebenso „Barbaren“ wie alle anderen Völker außerhalb des römischen Kulturraums. Der Rhabarber kam also von den Barbaren, was möglicherweise seinen Namen bis heute prägt. Eine andere Erklärung ergibt sich aus der Kenntnis, dass die Wolga bei den Römern mit „Rha“ bezeichnet wurde. Der „Fremde von der Wolga“ wäre bei den Römern der „Barbar von Rha“ gewesen.

Ein langer Weg

Zuerst nach England und dann nach Europa gelangte der Rhabarber aber erst um 1750, nachdem er einen wirklich langen Weg von Zentralasien über Persien und Russland hinter sich hatte. Es sollte noch weitere circa 60 Jahre dauern, bis die Engländer zu Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Rhabarbersorten gezielt als Gemüse anbauten und damit auch Handel trieben. Auf dem Kontinent dauerte es lange, bis sich die übrigen Europäer mit den sauren Stangen anfreunden konnten. Es gibt eine alte Eintragung aus Vierlande bei Hamburg, die besagt, dass um 1850 ein Händler aus Kirchwerder einige Rhabarberpflanzen von einem Engländer erstanden haben soll, die er dann erfolgreich veredelte.

In Russland und Tibet wächst der Rhabarber noch heute wild, in England, Deutschland sowie den Beleux-Staaten und Nordamerika wird er in besonderem Maße kultiviert. Aufgrund der unterschiedlichen Klimate bekommen wir einige Importe zuweilen schon ab März, wobei die Niederländer und Belgier ihren Rhabarber unter Glas züchten. Europäische Freilandware kommt ab April ins Angebot.

Für die Gesundheit

Heute noch wird wild wachsender Rhabarber, der übrigens riesig ist, in der chinesischen Medizin eingesetzt. Allerdings steckt nach Ansicht der Chinesen die Heilkraft in den fleischigen Wurzeln, nicht in den Stängeln. Seit dem 11. Jahrhundert bereicherte die Importware Rheum rhabarbarum aus China, beziehungsweise Zentralasien, sowohl die arabische Medizin als auch die berühmte Schule von Salerno, die die Medizin des abendländischen Mittelalters prägte. Die Arzneimittel wurden vornehmlich aus den unterirdischen Sprossachsen hergestellt.

Der Volksmund bescheinigt dem Rhabarber eine blutreinigende, entschlackende, harntreibende und verdauungsanregende Wirkungen. In der Tat geht eine leicht abführende Wirkung auf den relativ hohen Pektingehalt zurück und die Anregung der Peristaltik geht vom Inhaltsstoff „Anthrachinon“ aus. So wird Rhabarber auch heute noch für Entschlackungskuren im Frühjahr empfohlen.

Frische, zarte Rhabarberstängel verfügen über einen eher durchschnittlichen Gehalt der Vitamine A, B1, B2 und Niacin. Beim besonders wichtigen Vitamin C sieht es aber sehr gut aus: 100 Gramm roher Rhabarber enthalten bereits ein Drittel des täglichen Bedarfs eines erwachsenen Menschen an Vitamin C. Darüber hinaus enthält Rhabarber reichlich Mineralstoffe: Eisen, Kalium, Kalzium, Magnesium und Phosphor stecken drin. Im Rhabarber sind auch viel Zitronen-, Apfel- und Oxalsäure enthalten. Letztere kann zur Entstehung von Nierensteinen beitragen.

Kulinarisch vielfältig

Grundsätzlich kann man sagen, dass Rhabarber besser gemeinsam mit anderem Obst zu verwenden ist, denn isoliert wirkt er wegen seiner dominierenden Säure zuweilen etwas langweilig. Aber zum Beispiel in Verbindung mit Bananen empfinden wir seine Säure als geschmackliche Bereicherung. Ganz typisch ist es, Rhabarber Speisen wie Aufläufen, Gratins, Kompott, Konfitüren, Kuchen, Speisecremes, Speiseeis (Glace) und Torten hinzuzufügen. Die guten alten Rhabarber-Traditionen werden aber zunehmend auf herzhafte Gerichte erweitert: Süßsaure Chutneys, pikante Gemüsebeilagen sowie in Soßen für Geflügel-, Fleisch- oder Wildgerichte hat er mittlerweile Einzug gehalten.

Zwar schmeckt Rhabarber von sich aus schon sehr sauer, dennoch harmoniert er gut mit Zitronenaroma (Zitronensaft, Zitronengras, Zitronenschalen, Blätter der Kaffernlimette) oder Weißwein. Weitere geschmacklich interessante Kombinationen ergeben sich mit Ingwer, Sternanis, Vanille und Zimt. In letzter Zeit kommen auch immer mehr Rhabarber-Getränke auf den Markt, zum Beispiel verschiedene Saftschorle- oder Sirupvarianten.

 

Obst oder Gemüse?
Der Rhabarber ist wie Rittersporn oder Sonnenhut eine Staude, die der Familie der Knöterichgewächse (Polygonaceae) angehört. Es besteht also eine enge Verwandtschaft mit Knöterich (Polygonum aubertii) und Sauerampfer (Rumex acetosa). Seine Blätter sind sehr groß, etwas gewellt, beziehungsweise kraus und oval bis rundlich geformt.
Die Stängel sind sehr saftig und dickfleischig. Die Pflanze blüht mit imposanten weißen Blütenständen, die sogar eine Höhe von circa 1,50 Metern erreichen können. Bei den langen, sauren Stängeln, die am Ende auf den Tisch kommen, handelt es sich eindeutig um ein Gemüse.

 

Obacht

Metallgefäße sowie Alufolie vertragen sich nicht mit Rhabarber, weil seine recht starke Säure Metallionen herauslösen kann. Dies stört den Geschmack und kann sogar gesundheitlich bedenklich sein. Im Kühlschrank halten sich frische Rhabarberstängel ungefähr vier Tage lang. Kleiner Tipp: Wickeln Sie die Stangen in ein feuchtes Tuch ein. Direkt neben Tomaten, Äpfeln, Mango oder Bananen verdirbt Rhabarber schneller. Tiefgekühlt können auch kleine Rhabarberstückchen ein halbes Jahr lang gelagert werden. Aufgetaut ist das Gemüse aber nicht mehr so fest und dann also nur noch für Kompott oder Marmelade geeignet.

Unabhängig von der Sorte schmecken die gerade geernteten, jungen, frischen Stängel am besten. Je reifer sie werden, desto faseriger und saurer werden sie. Der Oxalsäuregehalt lässt sich aber z. B. durch Blanchieren und Kochen reduzieren. Zudem sollten nur dünne, junge Stängel verwendet werden, ältere sollten unbedingt geschält werden. Serviert mit Joghurt, Sahne oder Quark bekommt der Rhabarber zudem einen schön milden Geschmack.

 

Dieser Artikel stammt aus dem AUSZEIT-Magazin, das noch viele weitere tolle Themen für Euch bereithält.

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Bildquellen: Photo by Markus Spiske on Unsplash