Wenn man ein Buch aufschlägt, weiss man nie, was einen erwartet: Wenn man Glück hat, gute Unterhaltung, hat man Pech, langweilt es. Und dann gibt es Bücher mit diesen Geschichten, die einen völlig umwerfen und mit auf eine fantastische Reise nehmen.

Für mich ist dieser Moment auch nach all den Jahren noch mit einem leichten Kribbeln in der Magengegend verbunden: Wenn sich der Deckel eines neuen Buches hebt und die ersten Zeilen Text sichtbar werden, artig aufgereiht, als hätten sie sich besondere Mühe gegeben, um zu gefallen, steigt die innere Spannung spürbar an. Wird der Inhalt halten, was der Klappentext versprochen hat? Wird es mich orkanartig mit sich mitreißen oder muss ich mich mühsam durch die Seiten arbeiten? Werde ich den Buchdeckel am Ende mit einem zufriedenen Seufzen schließen, mit den Gedanken noch immer zwischen den gelesenen Seiten hängend? Die Antwort auf diese Fragen liegt noch viele Stunden in der Ferne, geduldig wartend, bis ich bei ihnen ankomme.

Zeit für mich

Wer die Welt der Bücher für sich entdecken will, muss Zeit und Ausdauer mitbringen. Denn Lesen ist kein Hobby für nebenbei, nichts, was im Hintergrund mitläuft, während man vielleicht gerade in der Küche steht und etwas fürs Abendessen vorbereitet. Ein Buch verlangt Aufmerksamkeit, zwingt uns, uns ganz auf seinen Inhalt zu konzentrieren, wollen wir dem Lauf seiner Geschichte richtig folgen. Doch die Mühe lohnt sich. Fast von allein schaltet unser Kopf in den Ruhemodus, je mehr wir uns in die Lektüre vertiefen. Anstehende Aufgaben, enge Zeitpläne und der alltägliche Stress werden einfach ausgeblendet, während unser Geist in eine andere Welt abdriftet.

Denn genau das ist es, was uns Bücher geben können: Zugang zu einer anderen Zeit, einem anderen Leben, einer anderen Realität, die mit unserem persönlichen Jetzt meist kaum etwas zu tun hat. Und sie erweitern unseren Horizont. Nicht etwa, weil wir uns in einem Sachbuch etwas Bestimmtes aneignen, was wir schon immer wissen wollten, sondern schon allein deshalb, weil man sich beständig in die Realität und Gefühlswelt anderer Personen eindenkt. Jede Seite, die man umblättert, lässt einen etwas tiefer blicken in dieses fremde Leben, das man da verfolgt. Mit dem man mitfiebert, mit dem man weint und lacht, hofft und bangt, dem man sich auf eigentümliche Weise verbunden fühlt, auch wenn es mit uns selbst wenig gemein hat. Das ist es, was ein Buch richtig gut macht: seine emotionale Kraft, die uns in dem Moment abholt, wenn wir es aufschlagen.

Im Rausch der Bücher

Und dann gibt es diese Bücher, die ihre Leser – ganz unerwartet – völlig umwerfen. Die einen in ihren Bann ziehen und einfach nicht mehr loslassen. Die Zeit bleibt einfach stehen, während der Kopf in anderen Sphären schwebt. Plötzlich ist es dann dunkel, man muss das Licht anmachen und merkt, man hat den ganzen Tag mit seinem Buch verbracht. Oder man schmökert bis tief in die Nacht, bis man die Augen wirklich nicht mehr offen halten kann, weil man unbedingt wissen will, wie es weitergeht.

„Ein Buch verlangt Aufmerksamkeit, es ist nichts, was nebenbei mitläuft.“

Ich selbst habe so schon einmal ein ganzes Wochenende im Bett verbracht – und das im wörtlichen Sinne. Nach dem Aufwachen noch ein Stündchen gemütlich im Bett lesen, dann stehe ich auf. Dachte ich zumindest. Als ich mich tatsächlich erhob, war schon weit nach Mittag. Der Hunger trieb mich aus dem Bett. Noch immer im Pyjama schlich ich in die Küche, ein schneller Toast musste reichen, das Buch aufgeschlagen in Sichtweite auf der Arbeitsplatte, während ich die Scheibe butterte. Danach ging es zurück ins Bett. Der geplante Einkauf musste bis Montag warten, denn für ihn hätte ich mein Buch weglegen müssen. Und das kam gar nicht in Frage. Am späten Sonntagabend hatte ich die 800 Seiten dann geschafft. Ich war zufrieden, auch wenn mir vom vielen Liegen alles wehtat. Und obwohl ich nicht mehr las, trieben meine Gedanken noch tagelang in der Geschichte, die mich so sehr gefesselt hatte.

Bücher – Immer wieder

Was darauf folgt, ist meist ein kleines Tief. Das nächste Buch würde sicher nicht so toll werden, oder? Vermutlich nicht. Es gibt nicht viele Bücher, die uns so berauschen. Sie sind es, die zu unseren Lieblingsbüchern werden. Die wir immer und immer wieder zur Hand nehmen, die uns auch nach dem 20. Lesen noch genauso faszinieren, wie beim ersten Mal. Weil uns die Geschichte fesselt, auch wenn wir ihr Ende schon kennen. Und doch lohnt es sich, das nächste Buch zu öffnen und sich auf eine neue Geschichte einzulassen. Denn man weiss ja nie, wann einen die Worte wieder mitten ins Herz treffen.

 

Dieser Artikel stammt aus der ICH BIN, die noch viele weitere tolle Themen für Euch bereithält und die hier erhältlich ist.

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