Allein im Wald, das ist für mich reinste Seelennahrung. Ich lehne selig am krummen Stamm eines stattlichen Baumes mitten im Wald. Meine nackten Füße wühlen im weichen Laubbett, lassen dünne, dürre Ästchen knacken. Wenn ich meinen Kopf hebe, sehe ich die Sonne im Blattwerk spielen. Umringt sind wir von Fichten, vielen Fichten und vereinzelten Föhren.

Lang bin ich umhergeschlendert, tiefer und tiefer in den Wald hinein, auf der Suche nach einem Platz zum Verweilen. Immer wieder fühlte ich mich in der Ferne von üppig bewachsenen Stellen angezogen. Doch als ich sie erreichte, war der Zauber verflogen und ich bin ernüchtert weitergezogen. Geraume Zeit setzte sich dieses Spiel fort, nirgends konnte ich Ruhe finden. Bis mein schweifender Blick mir den Grund vor Augen führte – es sind die Fichten! Viel zu monoton, zu konstruiert ist mir hier der Wald. In beinahe regelmäßigen Abständen stehen sie ringsum, gepflanzt einzig ihrer Wüchsigkeit wegen. Rasch nutzbar sollen sie sein, auf Kosten der Artenvielfalt, ohne Rücksicht auf den natürlichen Kreislauf – wie kurzsichtig!

Waldviertel Urgestein

Da entdeckte ich sie, eine Buche. Augenblicklich riss sie mich auch meinem verkopften Denken über Nutzen und Sinn. Sie war es, die ich finden wollte oder hat sie mich gefunden? Kopf aus, Schluss jetzt! Egal, wir haben uns gefunden. So lehne ich jetzt entspannt an ihr. Außer den besagten Fichten sind wir umringt von Restlingen, mit Moos und Farn überzogene, teils üppig bewachsene Granitformationen – Waldviertel Urgestein.

Der Wuchs dieser Buche verrät einen schweren Start. In spitzem Winkel tritt ihr Stamm aus dem Schoss von Mutter Erde. Auf Länge eines halbwüchsigen Menschen ist er nahezu waagrecht, um sich dann, in kunstvollem Bogen, kerzengerade gen Himmel zu erheben. Wen oder was sie ausweichen musste und was ihr die Kraft gab, diesen Schwung zu vollführen um sich – ihrer Bestimmung folgend –  aufrichten zu können, bleibt ihr Geheimnis und verleiht ihr etwas Märchenhaftes. Und wie, um diese Erscheinung zu unterstreichen, ist ihr Stamm bis zu dieser markanten Richtungsänderung, dieser Wendemarke ihres Schicksals zauberhaft mit Moos überzogen. Weichem, einladenden Moos, gleich einem Sofa mitten im Wald.

Meine nackten Füße wühlen im weichen Laubbett, lassen dünne, dürre Ästchen knacken.

Hier fühle ich mich angekommen. Genüsslich sauge ich erdige Gerüche in mich auf, streiche über die silbergraue Baumrinde, lausche gebannt den ungewohnten Geräuschen des Waldes, erfreue mich am Spiel von Licht und Schatten, verliere mich in Zeit und Raum. Nach gefühlter Ewigkeit bin ich allmählich wieder bereit aus meiner Versenkung aufzutauchen. Nach und nach nehme mich selbst wieder wahr und bin zurück auf meinem Buchenstamm zwischen den Fichten.

So satt wie ich jetzt bin, beginne ich zu schreiben…

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