Das Leistungs-Karussell dreht und dreht sich, immer schneller, und wir drehen uns mit. Alles soll so rasch wie möglich erledigt werden, am besten sofort. Wenn wir nicht aufpassen, kann so aus unserem Alltag rasch ein Alptraum werden. Wozu diese Eile? Um so viel wie möglich in einen Tag zu packen, um nur ja nichts zu versäumen? Doch genau dadurch versäumen wir so viel! So aufs Tempo fixiert haben wir weder Augen und Ohren für unsere Mitmenschen, unsere Umwelt, die kleinen Wunder, noch nehmen wir uns selbst mit all unseren Gefühlen und Bedürfnissen wahr. Wir funktionieren nur – doch wie lang noch?!

Viele Menschen sind so daran gewöhnt immer etwas zu tun zu haben, dass sie Nichtstun kaum mehr aushalten. Langeweile macht sich breit. Doch diese auszuhalten lohnt sich! Wer der Versuchung widersteht, sofort Zerstreuung zu suchen und sich einfach einmal treiben lässt, der bekommt die Chance sich und seine Umgebung völlig neu zu erleben. Ich möchte euch einladen, euch wieder einmal auf das, was ihr gerade tut, bewusst einzulassen.

Das Zauberwort für mich heißt: Hingabe. Wenn ich spazieren gehe, lasse ich mein Handy zu Hause. Bewusst setze ich Fuß vor Fuß, spüre den Wind auf meiner Haut und lausche den Klängen, die mich umgeben. Ich kenne den Ruf der Amsel wenn sie Gefahr meldet genauso, wie ihr fröhliches Gezwitschert.

Die Veränderungen in der Natur im Lauf der Jahreszeiten nehme ich bewusst wahr. Jedes Mal gibt es Neues am Wegesrand zu entdecken. Die Hagebutten, die letztens noch voll Stolz ihr Rot zur Schau stellten, hängen heute verschrumpelt matt im Geäst.

Von Zeit zu Zeit bleibe ich stehen, drehe mich um und lasse die veränderte Sichtweise auf mich wirken. Was zuerst vor mir lag, liegt jetzt hinter mir, was verborgen war wird sichtbar. Ich beobachte aufmerksam die Menschen die mir begegnen: Kann ich ihren Blicken begegnen? Weicht sie aus, wenn ich rechts bleibe? Dieser Mann, er zerrt sein Kind lieblos weiter- soll ich etwas sagen? Das Hündchen mit dem Mäntelchen – geliebt oder nur Fassade?

Einfach mal treiben lassen

Dann lasse ich die Menschen hinter mir, verlasse den Weg, bahne mir einen eigenen: Sonnenstrahlen setzen ein Spinnennetz ins Rampenlicht, silbern glitzern Tautropfen wie Perlen daran, ich hebe den Blick, sehe in die Baumkronen – noch lässt der Frühling auf sich warten, die Äste ragen bizarr kahl in den Himmel, sein Blau ist marmoriert vom Weiß der Schleierwölkchen; der Schrei eines Käuzchens schreckt mich auf, meine Gedanken wandern in längst vergangene Tage: „Wie hab ich mich als Kind vor diesem Schrei gefürchtet!“

Da, ein Eichkätzchen, es hüpft von Wipfel zu Wipfel und bringt mich zurück in die Gegenwart. Freudig erregt von all diesen Eindrücken fühle ich deutlich meinen Herzschlag. Er ist im Einklang mit der Natur, ich bin ein Stück Natur! Federleicht setze ich nun weiter Schritt für Schritt, fühle den Waldboden unter mir und den Himmel über mir, bin eingebettet zwischen den beiden…

So gehimmelt und geerdet zieht es mich langsam wieder zurück, zurück in mein Zuhause. So erfrischend müde und entspannt lebendig bin ich bereit für all das, was auf mich wartet. Satt und zufrieden kann ich mich jetzt meinen alltäglichen Aufgaben widmen, ich bin mehr als bereit – bereit gemacht haben mich Ruhe und Gemächlichkeit, meine Hingabe an den Augenblick.

Das Leistungs-Karussell dreht und dreht sich, immer schneller, nur… ich dreh mich nicht mehr mit, denn: Abseits von ‚schneller, höher, weiter‘ wartet das Leben!

Eine kleine Hommage an das Hier und Jetzt findest Du auch hier: