Wer will nicht gerne glücklich sein? Aber was genau ist denn dieses „Glück“, wann bin ich glücklich und wie werde ich es? Welche Antworten sind nun richtig, und welche Wege zum Glück dagegen Irrwege?

Werbung suggeriert gerne, dass gewisse Produkte oder Verhaltensweisen glücklich machen. Jahrzehnte Konsum liegen hinter mir. Das Glück der Erde fand ich weder auf dem Rücken der Pferde noch fühlte ich mich glücklich durch die Einnahme von Stimmungsaufhellern. Ich ging einer falschen Frage nach: „Was macht mich glücklich?“ Kein Produkt schaffte es, mir Glücksgefühle über kurze Augenblicke hinaus zu verschaffen. Das Eilen von Glücksmoment zu Glücksmoment wurde anstrengend. Äußere Dinge, ob Urlaubsreisen oder Maßanzug, Luxuslimousine oder entsprechende Hotels mit allem Komfort, es lief immer auf die gleiche Erkenntnis hinaus: Die Fragen mussten lauten: „Wie werde ich glücklich?“ Und: „Wie kann ich glücklich bleiben?“ Da Glück mit materiellem Gewinn nur wenig zu tun hat – ich lebe in meiner Verwandtschaft unter wohlhabenden Menschen, die nicht glücklich sind – suchte ich um Rat bei Philosophen und Psychologen, später auch bei spirituellen Meistern. Immer wieder tauchte im Zusammenhang mit Glück das Wort Zufriedenheit auf.

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Ich wünsche dir Glück und Frieden. „Friede sei mit dir!“ In vielen Religionen wird der Hinweis auf das Geheimnis des Glücks gegeben. Suche Frieden mit dir und deiner Umgebung. Innerer Friede ist kein materielles Gut. Zufriedenheit mit dem was ist und nicht unzufrieden sein mit den Umständen, das wurde mir ein Ziel. Ich brauchte viele Jahre, sogar Jahrzehnte, mich mit meiner Umwelt und Gesellschaft zu versöhnen. Mich mit mir und meinem Schatten auszusöhnen war der zweite Schritt. Das war nicht leicht.

Meine dunklen Seiten gingen nicht nur meinen Freunden und Verwandten auf die Nerven, auch ich bemängelte Aspekte meines Charakters, angefangen von Unzuverlässigkeit bis leichtsinnigem Verhalten im Umgang mit meiner Gesundheit oder mit Geld.

In Zeiten von Frust aß ich mir Kilos an, die nur durch Anstrengung wieder runter kamen. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil meine dritte und vierte Diät nach wenigen Monaten schon wieder aufgeholt war. Und die Arztbesuche wegen arthritischer Beschwerden kosteten Zeit, Nerven und viel Geld. Kaum war ich wieder gut zu Fuß, tauchte der Schlendrian wieder auf. Ich erkannte schließlich, dass meine Selbstdisziplin nicht reichte, um mir das Glück der Gesundheit zu wahren. Ich fühlte mich meinen triebhaften Instinkten gegenüber machtlos und war ganz offensichtlich nicht Herr im eigenen Haus. Gegen meine Frustrationen, die sich bis zur Depression steigerte, schien kein Kraut gewachsen. Ich musste wohl oder übel da durch und Schritt für Schritt meine übersteigerten Selbstansprüche erkennen und Abschied nehmen von meinem idealisierten Selbstbild.

Ich machte eine Liste wie ich sein wollte, um, wie ich glaubte, auf diese Art glücklich zu werden. Dann fertigte ich eine Liste von den Schwächen an, die ich mir zur Last legte. Bei diesem Vorgang wurde mir aber klar: Wie kann ich jemals unter dieser selbst auferlegten Last glücklich sein?

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Etwas Grundsätzliches schien nicht zu stimmen: Ich versuchte immer noch, mich zu einem besseren Menschen zu machen, um als dieser dann Gefühle des Glücks und der Zufriedenheit verdient zu haben. In meiner christlichen Tradition schien es so zu sein: Von Gott wird ein wohlgefälliges Verhalten erwartet und zur Belohnung schenkt er dann (paradiesische) Zufriedenheit? Ich konnte mich noch so sehr anstrengen, ich hatte nie das Gefühl, ich hätte jetzt genug für mein Glück getan. Und zwar aus dem einfachen Grund: Es stellte sich nicht ein.

Im Hinterkopf hatte ich seit meiner Kindheit das Märchen von Hans im Glück, der, obwohl er all seinen materiellen Wohlstand verlor, schließlich glücklich wurde. Anfangs erschien es mir absurd und paradox, dass Verlust zu Glück führen könnte. Hans ist jedoch im Glück gelandet, und alle Leser beneiden ihn darum, denn glücklich sein wollen sie doch auch. Loslassen und Verluste als sinnvollen Vorgang in Kauf nehmen, das können allerdings die wenigsten. Es erscheint in unserem heutigen Denken noch zu abwegig, es bedarf daher der Erklärung.

In allen mystischen Traditionen dieser Welt geht es darum, das Ego-Bewusstsein aufzulösen, das heißt die Anpassungen an die gesellschaftlichen Regeln und die Vorstellungen, die man von sich als „gutem Menschen“ hat. Alles, was zur Rolle gehört, zur Maskerade, alles muss erkannt und eingeordnet werden. Das Ego mit seinen Spielchen um Geld, Sex und Macht ist nicht schlecht, es wird aber lästig, denn alle Spiele bringen auf Dauer kein Glück. Das Ego ist eben stets auf Verbesserung, Erweiterung und Bereicherung aus. Das ist das Gegenteil von Zufriedenheit. Doch ab wann ist genug, genug?

Zufriedenheit taucht auf durch Verlust und Verzicht. Verlust von Einfluss, von Schönheit, von Geld, von hedonistischer Lust. Verzicht auf den Versuch, alle möglichen Dinge wieder zu erreichen oder noch erreichen zu wollen. Ich verzichte darauf, besser oder erfolgreicher werden zu wollen. Ich verzichte darauf, Verlorenes zurück gewinnen zu wollen.

Das fällt mir nicht mehr schwer, denn während einer Phase meines Lebens, in der ich Geld und Gesundheit verloren hatte, schimmerte plötzlich das Glück der Besitzlosigkeit durch. Die Bürde der Verantwortung verschwand und ich erlebte eine nie gekannte Erleichterung und Freiheit – durch Verlust.

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Es gibt eine geistige Strömung, sie nennt sich heute Minimalismus und ist der Verzicht auf Wohlstand und sonstigen Besitz. Verlust wird bewusst als Mittel zum Zweck eingesetzt. In Religionen halten sich gewisse Orden und Mönche an diese Regel, denn sie wissen: Besitztum ist Ballast. Ballast für den Geist, denn er muss die Sorgen und Gedanken tragen, die damit verbunden sind. Hans ist im Glück, denn er braucht sich um nichts mehr zu kümmern.

Hans ist nach einem arbeitsreichen Lebensabschnitt und einem erwirtschafteten Klumpen Gold auf der Reise zurück zu seiner Mutter. Auf dieser Reise tauscht er das Gold gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, diese gegen ein Schwein und dieses wiederum gegen eine Gans. Schließlich tauscht er die Gans bei einem Scherenschleifer ein. Die Schleifsteine fallen ihm versehentlich in den Brunnen, als er sich zum Trinken beugt. Als Hans die letzte Last verliert, halten ihn manche Leser oder Zuhörer für einen Trottel, der sich hat laufend beschwatzen und übervorteilen lassen. Doch Hans fühlt sich glücklich.

Das geht doch nicht, denken die noch Wohlhabenden vielleicht. Doch, das geht, passt und ist vollkommen folgerichtig, das weiß ich aus eigenen Erfahrungen und die Mystiker bestätigen das. Der heilige Franz von Assisi erkannte instinktiv den Weg zum Glück, er verschenkte sein Erbe, verschenkte seine Reichtümer und wurde Bettelmönch; das hat er mit dem historischen Buddha Gautama gemeinsam. Später wollte er auch kein Lehrer mehr sein, keine Rolle mehr spielen, die es zu erfüllen galt.

Auch Hans spielte keine Rolle mehr: Er brauchte kein Reiter mehr zu sein, kein Bauer, nicht einmal den Beruf des Scherenschleifers musste er noch ausüben. Und nichts von alledem sehnte er sich zurück. Er war im Zustand wunschlosen Glücks. Kein Reicher kommt ins Himmelreich, in den paradiesischen Zustand des Glücks, denn „Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr…“, sagte Christus. Vielleicht ist das, was heute dem einen oder anderen als Pechsträhne in seinem Leben erscheint in Wirklichkeit der Weg ins Glück.

Bildquellen: © Ronny Labotzke