Der Begriff Ego ist ein wesentlicher im sprituellen Bereich. Ziel jeder Persönlichkeitsentwicklung ist allerdings der Aufbau des authentischen Ichs. Das Ego mss dafür reduziert werden. Der erste Schritt ist: Erkenne dein Ego und handle.

Vom Ego hat schon jeder gehört. Egoistische Handlungen leiten sich von ihm ab, eben Selbstbezogenheit in seiner reinsten Form. Und doch ist mit Ego im spirituellen Kontext etwas völlig anderes gemeint. Hier geht es nicht um die kleinen Dinge des Alltags, um die von Eigennutz bestimmten Verhaltensweisen, um Konsumrausch und teils mangelnde Bereitschaft, den Mitmenschen verständnisvoller zu begegnen. Das Ego entstammt einer anderen Liga und ist mit der ein oder anderen Verhaltensweise nicht zu beschreiben, weil es viel tiefer und weitreichender agiert.

Entwicklungsschritte

Die Entwicklung vom authentischen Ich sollte eigentlich Ziel jedes Menschen sein, der seine Persönlichkeit entfalten möchte. Das Ego ist allerdings der Anker, der ein Schiff auf der Stelle hält, bevor es sich in die Freiheit einer Authentizität begeben kann.

Das authentische Ich ist der Zielhafen, irgendwo da draußen auf dem Meer, der ohne eine starke Beschneidung der Freiheiten des Egos niemals erreicht werden kann. Es ist momentan weniger wichtig, das authentische Ich darzustellen, das nach Entfaltung der Persönlichkeit strebt, ob im kreativen Bereich, in tiefster Liebe zu anderen Menschen oder auch im sozialen Engagement.

Die Position des Ego

Die meisten haben eine Vorstellung davon, was sie gerne in sich entfalten würden, um wirklich glücklich zu werden. Viel wichtiger ist es, die Position des Ego zu begreifen, dieser psychischen Struktur, die alles überlagert, die die Macht an sich reißt und die Entwicklung vom authentischen Ich gar verhindert. Das mag nach Fremdbestimmung klingen und genauer gesagt ist es nicht viel anderes als das. Gehen wir einmal an seinen Ursprung zurück.

Das Ego ist nicht das eigentliche Ich. Es ist nicht das in uns, was nach Vollendung ruft, nach Erkenntnis, nach dem wirklichen Sein. Es ist der Wächter, der uns die Tür zum eigenen Gefängnis öffnet. Und doch ist es nichts, was uns von außen auferlegt wurde, auf jeden Fall nicht direkt. Es ist in uns und durch uns entstanden. Vom ersten Atemzug an arbeitet das Ego an seiner Herrschaft. Zu diesem Zeitpunkt ist an das authentische Ich noch gar nicht zu denken. Ein Baby beispielsweise ist abhängig von der Außenwelt. Seine Innenwelt mit all seinen späteren Fähigkeiten ist noch nicht annähernd entwickelt.

Das Ego wird damit zum Lebensbeginn tatsächlich gebraucht, zeichnet auf, was dem Individuum an guten und schlechten Erfahrungen widerfährt. Es sammelt Informationen zu gesellschaftlichen Zugehörigkeiten, zu Ansehen, beruflicher Stellung und zu materiellem Besitz. Auf seine Art konservativ und sehr konventionell, ist es auch ein großer Angsthase, der Neues scheut. Das Ego lenkt daher auch gerne ab, richtet den Fokus auf die unwesentlichen Dinge des Lebens, etwa auf Besitz und Ansehen. Das authentische Ich stellt für das Ego eine große Gefahr dar. Ein Mensch, der vom authentischen Ich beseelt ist, braucht das Ego immer weniger.

Schon gewusst?

Das Ego…

  • strebt nach einer künstlichen Identität
  • ringt nach Ansehen, materiellem Besitz, gesellschaftlicher, religiöser Zugehörigkeit
  • benötigt keine originale Identität
  • will mit seinen Eigenschaften, Nutzen erzielen

Brechen Teile vom Ego in Stücke durch Arbeitslosigkeit, Trennung, finanzielle Probleme, Verlust von Freunden oder Ansehen, leidet die Persönlichkeit erheblich. Es bleibt wenig übrig, was der Person Halt geben kann.

 

Selbsterkenntnisse

Ich kenne mein eigenes Ego mittlerweile ziemlich gut, was ihm nicht gefallen dürfte, da es Stück für Stück vom authentischen Ich vertrieben wird. Aber ich verstehe, wie das Ego agiert und dass es jede Chance nutzt, sich in Zeiten von Schwäche wieder erneut an die Front zu katapultieren. Mein Ego habe ich nach Scheidung, Arbeitslosigkeit, als alleinerziehende Mutter von drei Kindern, dazu nicht gesund, wirklich kennengelernt.

Heute ist mir klar, dass es trotz meinem kreativen Potential, dieser Lebensaufgabe für mich, an vielen Ecken in mir gebrannt hat. Der überwiegende Teil in mir war eine Art Maske: gutes Aussehen, überdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten, fit…das war meine Schale, um mich vor der Außenwelt zu schützen. In mir allerdings war ich unsicher, zweifelnd und mit einen ziemlich wackelnden Selbstwert. Diese Festung aus Selbstvertrauen, innerem Frieden und einem Gefühl in sich, den richtigen Weg zu gehen, war nicht vorhanden. Folglich hatte das Ego ein leichtes Spiel.

Ego ist Leere

Die bleibende Leere, wenn die Persönlichkeit vertrieben wurde oder die entstehende Leere, wenn keine Persönlichkeit gebildet wird, das ist das Ego. Dabei war ich mir so sicher, dass meine Persönlichkeitsentwicklung fast abgeschlossen war. Ich war auf einem guten Weg. Wenn nicht ich, wer dann? Meine Fähigkeiten lagen von Kindheit an vor allem im kreativen Bereich. Ich malte, schrieb, bastelte, sang und stellte mir bei jeder Gelegenheit vor, auf einer Bühne zu stehen. Umgesetzt in meinem Leben habe ich für eine Weile den Theaterbereich und beruflich nach vielen Irrwegen das literarische Schreiben. Damit wäre eigentlich alles gut gewesen, denn das Schreiben ist der Bereich in meinem Leben, der von Beziehungen abgesehen, einen wesentlichen Stellenwert in meinem Leben einnimmt. Und trotzdem habe ich mich in mir verloren.

Stolpersteine

Nun ist das Leben selten so simpel, dass es einen nur die schönen Dinge erleben lässt. In jedem Leben gibt es Stolpersteine, die umschifft oder übersprungen werden müssen, die im Gegenzug allerdings ebenso gut als Endpunkt für den ewigen Stillstand geeignet erscheinen. Und hier kommt das Ego ins Spiel, wie eine Art starre Backform. Diese Form ist eine optimale Anpassung an Normen, Muster, Regeln. Nun stehen eine derartige Anpassung und Freiheit sehr konträr zueinander. Das Ego böte (und das ist lediglich der Konjunktiv) eine Möglichkeit wie ein Künstler erst die wesentlichen Grundzüge des Malens zu lernen, um danach einen eigenen Stil zu finden. Einmal im Gerüst des Egos gefangen, ist aber an Befreiung so schnell nicht zu denken. Und das heißt, dass jede Form des Versuchs authentischer zu werden, missachtet und untermauert wird. Und hier liegt das große Problem.

Das durchaus egoistische Ego lässt diese Befreiung nicht zu oder sollte sich das Wesen noch nicht ganz freigeschwommen haben, wird das Ego die Gelegenheit nutzen, sich sein verlorenes Revier zurückzuerobern. Ich selbst fühlte mich lange sehr frei in mir, doch es gab unzählige Ängste aus frühester Kindheit, Berufsleben, nach der Scheidung – ein großes psychisches Loch. In dieser Zeit habe ich mich stark von meinen Fähigkeiten und von meinem authentischen Ich abgewandt. Für das Ego ein gefundenes Fressen.

Angst und Leiden

Unser Ego ist extrem angstbesetzt.Tatsächlich sind Angst und Wut aus meiner Sicht – von genetischen Dispositionen abgesehen – zwei wesentliche Faktoren, krank zu werden. In seiner manipulativen Art bohrt und drängt sich das Ego zwischen unsere Gedanken, bewertet, macht es schwierig, sich seinen machtvollen Aussagen zu widersetzen. Typisch für das Ego ist jede Form von Freiheitsbegrenzung. Sein ewiges „nein“, ursprünglich eingesetzt, um die Eltern in Schach zu halten, ist jetzt da, um wichtige Änderungen abzuwehren. Wie im Improvisationstheater öffnet aber nur ein klares „ja“ neue Türen.

Nachahmungen

Das Ego liebt fremde Ideen, Nach-ahmung, Wertungen, weil es durch erfahrene Schmerzen in einer ständigen Abwehrhaltung verharrt. Je mehr auch ich meinen Fähigkeiten nicht mehr vertrauen konnte, desto stärker wurde die Angst. Und je weniger ich in mir zufrieden war, desto weniger war ich es mit anderen.

Drei Jahre habe ich gebraucht, mich aus dem Massengrab gesellschaftlicher Anpassung wieder in mein Leben zurück zu holen. Noch immer höre ich die innere Stimme, die mir eingeredet hat, dass ich ohne Job nichts mehr bin. Immer stärker wurde ich in den Sumpf des Nicht-Könnens, des Nicht-Wert-Seins hineingezogen, aus dem ich mich am Ende befreit habe. Das Ego regiert mit Angst und Bedrohung. Doch hinter der Angst beginnt die Freiheit. Es gibt nur eine Möglichkeit, sich selbst zu entdecken und zu begreifen, was der Sinn des eigenen Lebens ist. Dieser Weg führt über eine erhebliche Reduktion des Ego. Und dazu ist kein Kampf nötig, keine wilde Auseinandersetzung, keine strategische Planung. Es reicht aus, die Bremse loszulassen und auf die energieraubenden Ego-Spiele nicht mehr einzugehen. Glück ist der Zustand, der sich einstellt, wenn der Mensch sich und seine Aufgabe in sich findet.

 

Dieser Artikel stammt aus dem AUSZEIT-Magazin, das noch viele weitere tolle Themen für Euch bereithält.

 

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Bildquellen: Photo by Amanda Dalbjörn on Unsplash