Natürlich bin ich schön!

 

Hätte mir jemand vor 7 Jahren diesen Satz entgegengeknallt, hätte ich nur mit den Augen gerollt und gesagt: „Schön für dich, aber für mich trifft das nicht zu. Ich fand mich noch nie schön und ich werde mich auch niemals schön finden. Punkt“.

Meine Definition von Schönheit war viele Jahrzehnte folgende:

„Ich habe Idealgewicht. Ich trage Kleidergröße 36. Ich bin sportlich, schlank und gut durchtrainiert. Meine Haut ist makellos, meine Haare weich und lang. Ich trage enganliegende Kleider, die meine Figur unterstreichen. Meine Arme und Schulter sind wohlgeformt und weiblich zugleich und meine Beine und mein Po haben eine feste Form.“

 

Gut ist nicht gut genug

Wenn ich mir das aus heutiger Sicht durchlese, weiß ich, dass ich meinem Idealbild niemals entsprechen konnte. Ha zutm Beispiel die Figur gepasst, waren die Arme vielleicht noch zu schwabbelig. Saßen die Haare gut, war die Haut unrein und voller Pickel.

Es dauerte viele Jahre, bis ich begriff, dass es praktisch unmöglich ist, meiner Definition von Schönheit gerecht zu werden, solange ich mich nur auf meine Makel und Fehler konzentrierte.

 

„Das wird doch nie was“

Gestern ist mir (beim Sport) wieder bewusstgeworden, wie sehr sich meine Definition von Schönheit in den letzten Jahren verändert hat. Mein Blick fiel, beim Liegestütze machen, auf meine Arme und Schultern. Ein Lächeln huschte, trotz der Anstrengungen über meine Lippen. Ich erinnerte mich an meine Anfangszeit, als Liegestütze machen (noch fast) unmöglich war und ich mir niemals vorstellen konnte, diese Übung zu meistern.

Oft genug wollte mir mein innerer Kritiker weiß machen, dass ich niemals sportlich und fit genug sein würde, um die Liegestütze meistern. Und beinahe hätte ich dieser inneren Stimme geglaubt. In den schwachen Momenten, wenn der Blick in den Spiegel immer noch nicht zufriedenstellend war und die fiese Stimme in meinem Kopf wieder schrie: „Siehste, bringt doch eh nix. Dein Körper sieht nicht so aus, wie er aussehen sollte. Du bringst es nicht. Lass es einfach sein“.

Ich bin mir sicher, ich hätte aufgegeben und alles hingeschmissen. Nie wieder eine Liegestütze in meinem Leben gemacht, wenn mir meine Tochter nicht gezeigt hätte, was wirklich zählt.

 

Stark genug?

Meine jüngste Tochter ging damals noch in den Kindergarten. Häufig wollte sie eine Suppe mitnehmen, die wir in ein praktikable Warmhaltedose einfüllten, damit sie bis zum Mittag warm blieb. Eines Tages hatte meine Tochter wieder ihre Suppendose dabei und wollte mittags ihre Suppe löffeln, doch der Deckel ließ sich nicht öffnen. Sie bat eine ihrer Erzieherinnen um Hilfe. Doch auch die bekam die Dose einfach nicht auf. Meine Tochter verzichtete letztlich auf die Suppe und brachte sie wieder mit nach Hause. Sie erzählte mir, dass sie heute ihre Suppe nicht hätte essen können, weil die Dose sich nicht öffnen ließ und meinte dann, ich könne ihr jetzt die Dose öffnen.

 

Mit Kinderaugen betrachtet

Erwartungsvoll stand dieses kleine Mädchen vor mir und erzählte mir fröhlich von ihrem Tag, während ich Hand an der Dose anlegte. Ich setzte meine Hände an und schwupps, schon war die Dose auf. Meine Tochter strahlte von einem Ohr zum anderen, rief aus tiefstem Herzen: „Du bist die stärkste Mama der Welt“, nahm sich die Dose und genoss die Suppe.

Für mich ist dieser Moment immer noch besonders.

Das ersten Mal sah ich mich mit den Augen meiner Tochter. Ich spürte, dass es mehr gibt, als mein Schönheitsbild. Für meine Tochter bestand kein Zweifel daran, dass ich die stärkste Frau der Welt war (das erzählte sie in den darauffolgenden Tagen und Wochen nämlich jedem, der es wissen wollte). Als ich von ihr wissen wollte, wie sie darauf käme, sagte sie nur: „Mama, das kann man doch sehen. Du bist eine starke Mama.“

 

So einfach kann es manchmal sein

Dieses Erlebnis veränderte meine Einstellung zu mir. Ich lernte mich aus der Sicht meiner Tochter zu betrachten. Ich sah nicht mehr meine Unzulänglichkeiten und Makel, sondern fokussierte mich auf meine Erfolge und Fähigkeiten. Ich stellte mir nun die Fragen „Was habe ich heute geschafft? Wie hat sich das angefühlt? Wie fühle ich mich jetzt?“.

 

Danke, dass ich bin wie ich bin

Gestern bei meinen Liegestützen lief diese Erinnerung durch mich hindurch und machte mich unendlich dankbar. Dankbar, dass ich nicht aufgegeben habe und durchgehalten haben, bis ich diese Liegestütze gemeisterte hatte. Dankbar auch, dass meine Arme immer noch das Gewicht halten und mein Körper sich an die Belastung langsam gewöhnt hat. Und ich bin unendlich dankbar und glücklich, dass ich durch die Veränderung meiner Wahrnehmung meine Schönheitsdefinition komplett verändern konnte.

Schönheit bedeutet für mich heute, „anzuerkennen, wozu ich tagtäglich in der Lage bin. Meinem Körper die Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu geben, die er verdient hat. Mir bewusst zu machen, wie einzigartig und unperfekt ich bin und mich DARAN freuen. Und liebevoll mit mir umgehen und die kritischen und gemeinen Stimmen nicht mehr so ernst nehmen.“

Was hast DU heute geschafft? Wie fühlst du dich gerade in diesem Moment? Wie siehst du selbst durch Kinderaugen? Es lohnt sich, diese Fragen zu stellen.

Herzlichst,

deine Alex

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