Heute wissen wir jederzeit, wie spät es gerade ist – das kann Fluch und Segen zugleich sein. Doch wie sind die Menschen früher ohne Uhr ausgekommen? Eine kleine Geschichte der Zeit und wie sie gemessen wurde.

Als loyaler Assistent hilft uns die Uhr dabei, unseren Tag zu strukturieren, Termine einzuhalten und im Allgemeinen: Die Kontrolle zu behalten. Ein kurzer Blick auf unser Smartphone genügt dafür. Gleichzeitig führt genau diese Haltung dazu, sich selbst zu vergessen, sich im Stress der Zeit zu verlieren. Aus diesem Grund probieren viele gerade etwas „Neues“ aus, das eigentlich nichts Neues ist: Das Leben ohne Uhr. Damit gehen sie Jahrtausende in der Geschichte zurück und stellen sich der Herausforderung von Zeiteinteilung ohne Zeitmessgeräte.

Natürliche Zeitmesser

Die Natur ist die zentrale helfende Kraft, wenn es darum geht, die Zeit zu bestimmen, ohne technische Hilfsmittel zu verwenden. Ein Blick in die Sterne dient dabei als erster Anhaltspunkt: Die Drehung des Großen Wagens zeigt uns in Europa und Nordafrika das Fortschreiten der Nacht an. Die Anfänge der Zeitmessung liegen bei den Sumerern und alten Ägyptern, sie gehen weit zurück bis ins Jahr 3 000 v. Chr. Die ersten Kalender, deren Grundgerüst noch heute genutzt wird, wurden von ihnen entwickelt. Sie bezogen sich dabei auf die Himmelskörper, richteten sich also nach Sonne und Mond. Auch die Uhren richteten sich nach den Himmelskörpern aus, denn es wurden Sonnenuhren mit Schattenstäben erbaut, die dabei halfen, die Tageszeit abzulesen.

Die erste berühmte Sonnenuhr ließ der Astronom und Kosmologe Anaximander im antiken Griechenland bauen. Seine Konstruktion mit einer Hohlkugel und einem senkrechten Stab in der Mitte, zentraler gnomischer Punkt genannt, war revolutionär. Doch was tat man, wenn der Himmel voller Wolken hing? Eine vom Wetter unabhängige Art, die Zeit zu bestimmen, musste her.

Wasser und Wachs

Und erfunden wurde die Wasseruhr! Diese wurde von den Griechen übrigens als Klepsydra, also „Wasserdiebin“ bezeichnet. Ihr Prinzip ist denkbar simpel: Wasser läuft von einem Gefäß in ein anderes in einer bestimmten Zeit. Diese Funktionsweise ähnelt also dem der Sanduhren, die wir heute beispielsweise noch nutzen, um den Kleinsten zu zeigen, wie lange sie sich die Zähne putzen sollen.

Im Mittelalter wurde ein neuer natürlicher, allerdings recht ungenauer, Zeitmesser genutzt: Die Stundenkerze. Dabei handelt es sich um eine Kerze, die mithilfe von Strichen zur Einteilung oder Stäbchen, die sich beim Herunterbrennen lösen und ein Geräusch verursachen, eine ungefähre Zeit anzeigen. Sie wurden vor allem in Klöstern genutzt. Dort hielten sich die Nonnen und Mönche sogar eigene Bienen, um aus dem von ihnen produzierten Wachs die Kerzen zu formen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Zeit etwas Naturgegebenes. Die Vögel zwitscherten im Morgengrauen und verkündeten mit ihrem Gesang den Tagesanbruch. Das bedeutete auch für die Menschen, dass ihr Tag begann, sie das warme Bett verließen und sich an die Arbeit machten. Die Abenddämmerung läutete das Tagesende ein und mit dem Einbruch der Nacht gingen die Menschen schlafen. Ihre innere Uhr war also angepasst an diesen natürlichen Tagesablauf.

Die mechanische Wende

Mit dem Ende des Mittelalters veränderte sich die menschliche Zeitwahrnehmung: Die Zeit genauer messen zu können bedeutete nämlich eben auch, mit ihr bewusster umzugehen. Nachdem sich sogenannte Räderuhren, also Uhren mit einem mechanischen Uhrwerk und Zahnrädern, etablierten, ging die Entwicklung der Uhr sehr schnell voran. Seit dem 16. Jahrhundert wurde die Technik filigraner und die Uhr sogar tragbar. Die Menschen waren also nicht mehr vom Schlag der Kirchturmuhr abhängig, konnten sich ihre Zeit selbst einteilen und ihren Tag entsprechend strukturieren.

Erstmals enthielten die Uhren nun neben dem Stundenzeiger auch einen Minutenzeiger. Die Zeit konnte somit genauer gemessen und jederzeit abgelesen werden, dies veränderte unser Verständnis von Zeit grundlegend. Heute ist Zeit Mangelware. Es ist ein teures Gut, mit dem wir behutsam umgehen sollten. Zu oft sagen wir „Ich habe keine Zeit dafür“, wenn es um Dinge geht, die uns gut tun. Schon der römische Philosoph Seneca erkannte: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.“ Wie kostbar Zeit eigentlich ist, wird uns nun erneut bewusst, wenn wir lernen, wie die Geschichte der Zeitmessung verlief; wie die Zeiteinteilung im Laufe der Jahre immer genauer und dadurch auch kontrollierter wurde.

Mit Schwung

Auf der langen Suche nach einem gleichmäßigen Antrieb für die Räderwerke der Uhren, erkannte der italienische Universalgelehrte Galileo Galilei im 16. Jahrhundert die Bedeutung der Pendelschwingung. Bis zu seinem Tod konnte er jedoch nicht feststellen, wie er sie dafür richtig nutzt. Doch seine Idee wurde weiterentwickelt und später von Christiaan Huygens in die Praxis umgesetzt: Die erste funktionsfähige Pendeluhr konnte so konstruiert werden. Dies war ein riesiger Schritt in der Uhrentwicklung. Huygens war es auch, der die erste sogenannte Unruh-Spirale entwickelte, die dafür sorgte, dass man die Gleichmäßigkeit der großen Pendeluhren ebenso in Kleinuhren erzeugen kann. Aus diesem Grund ging es von der Pendeluhr über die Taschenuhr, bis hin zur Armbanduhr nun sehr schnell.

Als Vorreiter der Uhrmacherkunst gilt vor allem Abraham Louis Breguet. Er entwickelte moderne Taschen- und Armbanduhren. Zu seinen Kunden gehörte unter anderem die Schwester Napoleons und Königin von Neapel, Caroline Murat. Sie war weltweit die erste Person, die eine Armbanduhr in Auftrag gab und sich diese ganz nach ihren Vorstellungen bauen ließ. Die Uhrenliebhaberin besaß zu dieser Zeit bereits 34 Taschenuhren von Breguet. Nach einer Reparatur war die Uhr jedoch unauffindbar. Würde sie wieder auftauchen, wäre ihr Preis vermutlich astronomisch, wohingegen der Nachbau interessanterweise nicht übermäßig teuer und noch heute per Katalog zu bestellen ist.

Mit der Industriellen Revolution wurde die Zeitstrukturierung um einiges straffer, da von nun an häufig in Schichten gearbeitet wurde. Die Menschen arbeiteten mehr, die Welt wurde zunehmend hektischer und die eigene Zeit immer knapper. Das hat sich bis heute nicht geändert.

Nie genug Zeit

In Anpassung an die neue Zeit hat eine moderne Uhr mittlerweile noch zahlreiche weitere Funktionen. Sie begleitet ihren Träger ins Fitnessstudio, nimmt seine Schritte auf, erinnert an Termine und hat Platz für Notizen. Smartwatches sind clevere Begleiter, die uns im Alltag unterstützen, doch etwas können sie nicht: uns Zeit geben. Darum müssen wir selbst dafür sorgen, dass wir in der ewigen Hektik zwischen Arbeit, Familienleben und Freizeitaktivitäten einmal innehalten und uns fragen: Nehme ich mir genug Zeit für mich?

Die Armbanduhr und das Smartphone einmal Zuhause zu lassen, kann ungemein entspannend sein. Wenigstens im Urlaub sollten wir uns den Luxus gönnen, auf die strikte Zeitmessung, die die Menschen sich jahrtausendelang erarbeitet haben, bewusst zu verzichten. In solchen Momenten merken wir, was wirklich zählt und, wie wir unsere Zeit verbringen wollen. Sich diese Zeit zu nehmen bedeutet auch, zu entschleunigen und trotz der schnellen Außenwelt einmal zur Ruhe zu kommen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Die Devise lautet daher: Achtsam mit der eigenen Zeit umgehen, sie als unendlich kostbar betrachten und wie ein Stück saftigen Schokoladenkuchen langsam und sorgfältig genießen.

 

Dieser Artikel stammt aus dem AUSZEIT-Magazin, das noch viele weitere tolle Themen für Euch bereithält.

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