Wo die pure Lust am Leben herrscht, da ist das Lachen nicht weit. Umgekehrt gilt das nicht in jedem Fall. Dennoch ist es immer wieder wichtig, eine Lanze für das Lachen zu brechen. Vor allem für das, das tief aus dem Herzen kommt.

In seinem Roman „Der Name der Rose“ schildert Umberto Eco einen Kriminalfall, der sich rund um die Bibliothek eines mittelalterlichen Benediktinerklosters abspielt. Im Buch geht es darum, den zweiten Band der „Poetik“ von Aristoteles der Öffentlichkeit vorzuenthalten – und das mit allen Mitteln. Dieser Band, der sich ausführlich mit dem Prinzip der Komödie und mit dem Lachen befasst, ist in Wirklichkeit verschollen.

Aber das Buch von Eco nutzt die fiktiven Vorgänge in der Benediktinerbibliothek, um ein Stück Menschsein und ein Stück Menschheitsgeschichte zu thematisieren: das Lachen und die Zeit seiner „Verbannung“. Und tatsächlich entsprach es den Auffassungen der mittelalterlichen Kirche, das Lachen als eher „teuflisch“ zu verdammen.

Katharsische, reinigende Wirkung wurde nur dem Weinen zugesprochen, entsprechende Bibelzitate und -auslegungen wurden bemüht und auch die Kunst dieser Zeit spiegelte diese Haltung wider. Klar, diese Zeiten sind längst vorbei. Dennoch haftet dem lauten Lachen oft noch so ein kleiner Makel des „Unschicklichen“ an, schaut der eine dem anderen misstrauisch beim Lachen zu und geht, wenn es ihn dann mal selbst erwischt, dazu sprichwörtlich „in den Keller“.

Bärenlächeln
Zu den beliebtesten Wegbegleitern unserer Kindheit gehörten die Teddybären. Und so mancher Teddybär hat es geschafft, uns auch Jahre später noch Trost zu spenden – nicht zuletzt mit seinem Lächeln, das oft schon ein zweites, drittes Mal neu „aufgenäht“ wurde. Da macht es nichts, dass ihre lebenden Vorbilder nicht wirklich lächeln können – den Bären fehlen schlichtweg die für ein Lachen oder Lächeln notwendigen Gesichtsmuskeln.

Lachen ist menschlich

Dabei ist das Lachen eines der wichtigsten angeborenen Ausdrucksverhalten des Menschen. Zum einen als Reaktion auf erheiternde und komische Situationen oder auch aus Erleichterung nach dem Überstehen gefährlicher Situationen. In beiden Fällen ist das Lachen weitgehend ein Reflex, der auf äußere Reize reagiert. Zum anderen dient es dazu, seinem Gegenüber Sympathie zu signalisieren oder Konfliktsituationen zu entschärfen. Es dient in diesem Fall als Abbau der Distanz zu anderen, als Einladung, Auflockerung. Wenn es denn ernst gemeint ist.

Denn in diesem Fall kommt eine weitere Eigenschaft des Menschen zum Tragen, nämlich die Fähigkeit, seine Emotionen bewusst zu kontrollieren. Die ganz persönliche Sozialisation, der Einfluss von Eltern und Erziehern, spielt dabei eine genauso große Rolle, wie das gesamte kulturelle Umfeld. Ob ein leidender Jesus auf uns herabblickt oder ein lachender Buddha prägt uns genauso, wie es bestimmte Regeln des öffentlichen oder politischen Diskurses tun.

„In seinem Lachen liegt der Schlüssel, mit dem wir den ganzen Menschen entschlüsseln.“
Thomas Carlyle

Das Lachen aus dem einen oder anderen Grund zurückzuhalten, es zu unterdrücken und gering zu schätzen ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite – auch zutiefst menschlich – ist der Einsatz des Lachens als „Waffe“. Ob ganz spontan als schadenfrohes Lachen oder als abwertendes, zynisches Lachen ganz gezielt gegen andere eingesetzt: Ein solches Lachen hat das Potenzial, andere Menschen sehr tief zu verletzen. Es gibt Menschen, die es mit solcherart Lachen bis zur Perfektion gebracht haben und bei all dem eine eisige Kälte verbreiten. Auch ein Lachen, das aus dem Herzen kommt, aus einem Herzen aus Stein.

Schau mir in die Augen

Nun steckt nicht immer ein tieferer Sinn hinter einem Lachen oder einem Lächeln. Manchmal lacht man aus Höflichkeit mit, manchmal lächelt man allein deswegen, um nicht unfreundlich zu erscheinen, immerhin. Und manchmal lacht oder lächelt man, weil grad jemand mit seinem Smartphone auf einen zielt und für ein tolles Foto auffordert „Cheese“ zu sagen.

Aber das wirkliche Lachen, das tief aus dem Herzen kommt, lässt sich ganz gut erkennen und hinterlässt „verräterische“ Spuren. So schrieb der französische Neurophysiologe Guillaume-Benjamin Duchenne schon 1862, dass ein Lächeln, das nur die Mundmuskeln aktiviert, nicht dieselbe Wirkung hat wie eines, das die um die Augen befindlichen Muskeln erregt.

Hand aufs Herz
Mal ehrlich: Wann hast du das letzte Mal von Herzen gelacht, lauthals und völlig frei? Lange her? Versuche, dich deutlich daran zu erinnern und versuche bewusst, die entsprechende Situation zu reproduzieren. Also schaue dir genau diesen Film mal wieder an, lies genau dieses Buch noch einmal durch. Sei mit Freunden unterwegs, deren Humor auch der deine ist. Oder greife ganz simpel zu einem Lachsack oder zu einem Lachtrainings-Video. Wie auch immer: Lach mal wieder!

Nach Duchenne unterscheiden wir demnach „echtes“ und „gestelltes“ Lächeln. Das echte Lachen ist also eines, das man auch den Augen ansehen kann. Und es hinterlässt mit der Zeit die typischen Lachfältchen, die einen selber lächeln lassen, wenn man sie am anderen bemerkt. Das ist ein Lachen, das ganz ohne Hintergedanken ehrliche Sympathie und Offenherzigkeit signalisiert. Ein Lachen, das Wärme ausstrahlt, das Vertrauen und Nähe schafft.

Genau ein solches Lachen, ein solches Lächeln, ist so unwahrscheinlich wertvoll, dass wir genau in uns hineinhören sollten, ob der Weg von unserem Herzen zu unserem Lachen nicht zu sehr verbaut ist – von dauerhafter Unzufriedenheit mit allem und jedem, von tiefen Sorgen, traumatischen Erlebnissen oder auch vom missmutigen Blick auf die Menschen um uns herum, die anzulächeln uns überhaupt nicht in den Sinn kommt. Und wenn uns klar ist, dass wir da einiges unternehmen sollten, um endlich wieder Lachfältchen zu bekommen, gibt es den einen oder anderen ganz konkreten Schritt, den wir gehen können.

Wir gehen lachen

Eine ganz besondere Form, das Lachen zu praktizieren, ist das Lachyoga. Diese Form der Lachübungen wurden von einem Arzt und Yogalehrer aus Mumbai begründet. Madan Kataria eröffnete 1995 in Indien den ersten Lachclub und gemeinsam mit seiner Frau Madhuri legte er so die Grundlagen für die weltweite Verbreitung dieser Bewegung und ihrer theoretischen Grundlagen. Auch in Deutschland gibt es inzwischen zahlreiche Lachyoga-Schulen und weit über 200 Lachclubs, in denen Lachyoga praktiziert wird.

„Jedes mal, wenn ein Mensch lacht, fügt er seinem Leben ein paar Tage hinzu.“
Curzio Malaparte

Was ist nun das Besondere an diesen Übungen, an dieser Form von Yoga? Entscheidend ist, dass hier das „grundlose Lachen“ im Vordergrund steht. Es wird beim Lachyoga davon ausgegangen, dass das Lachen seine Wirkung auf einen selbst auch dann entfaltet, wenn es gar keinen besonderen Grund zum Lachen gibt.

Demensprechend beginnt Lachyoga oft mit ganz einfachen motorischen Übungen, mit Dehn- und Atemübungen, mit Pantomime und „künstlichem“ Lachen. Durch Blickkontakt und lockere Reaktionen auf den jeweils anderen entsteht sehr bald eine Situation, in der die Teilnehmer ausgiebig ungezwungen und herzlich lachen – frei nach dem Lachyoga-Motto „Fake it until you make it“ (Tu so als ob, bis du es wirklich tust.)

Lach dich gesund
Durch die schnelle Atmung transportiert die Lunge drei- bis viemal soviel Sauerstoff wie normal. Das Herz-Kreislauf-System wird gestärkt. Zwanzig Sekunden herzhaftes Lachen entspricht in etwa der körperlichen Leistung bei drei Minuten schnellem Rudern. Lautes Lachen stärkt nicht nur die Lungenfunktion, auch auf unser Immunsystem hat es positive Auswirkungen: Nach kurzer Zeit erhöht sich beim Lachen die Zahl der Abwehrstoffe im Blut. Auch Endorphine werden produziert und helfen beim Abbau von Stressreaktionen.

Lachen aus dem Herzen

Natürlich besteht der Sinn des Lachyogas nun nicht darin, in einer ansonsten trüben Welt ein kleines Zeitfenster zu öffnen, in dem man sich quasi ablacht, um dann wieder gewohnt sauertöpfisch in den Alltag zurückzukehren. Die Teilnehmer werden nicht nur aufgefordert, das Lachen auch außerhalb des Clubs zu kultivieren.

Sie stellen ihrerseits oft fest, dass sie nach den Übungen zunehmend freier und kreativer im Denken werden, dass sie falsche Scham ablegen und dass ihre Art und Weise, damit umzugehen, durchaus ansteckend wird.
Denn wichtig ist vor allem, das befreiende Gefühl des herzlichen Lachens wertzuschätzen, diese Art des Lachens zum Teil unseres Umgehens mit uns und der Welt zu machen und dafür zu sorgen, dass es so bleibt.

Das heißt jetzt nicht, in ein notorisches Dauerlachen zu verfallen. Es wird immer Dinge geben, die uns traurig oder wütend machen, Gefühle, die man durchaus auch auf unserem Gesicht ablesen darf. Aber diese Dinge dürfen nicht den Weg verbauen, den das Lachen aus unserem Herzen gehen wird, wenn die Sonne wieder scheint. Oder auch, damit sie es tut.

Dieser Artikel stammt aus dem AUSZEIT-Magazin, das noch viele weitere tolle Themen für Euch bereithält.

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