Seit jeher ist die Musik ein begehrtes Stilmittel, um sich künstlerisch zu entfalten. Doch wie genau entsteht ein Song – das Zusammenspiel aus Text und Komposition? Als erfahrene Songwriterin möchte ich dir hier einen exklusiven Einblick in meinen kreativen Schaffensprozess gewähren …

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum! Nietzsches oft zitiertes Credo ist längst zu meinem persönlichen Leitsatz geworden. Denn ohne Musik wäre jeder noch so tiefe Atemzug nur luftleerer Raum. 

Ich lebe und liebe die Musik wie nichts anderes im Leben und spüre eine außergewöhnliche Verbindung zu ihr. Angefangen hat es bei mir im Alter von 14 Jahren, als ich meine nicht gerade einfache Kindheit mit dem Kreieren von Liedern kompensierte. Etliche Stunden und Tage verbrachte ich abgekapselt in meinem Zimmer, um meinen tief vergrabenen Emotionen Raum zu geben. So wurde die Musik zu meinem persönlichen Zufluchtsort, den ich über Jahre hinweg immer wieder aufsuchte. 

Songwriting lässt das Herz klingen

Seit meinen Kindheitstagen sind etliche Jahre vergangen. Vieles hat sich gewandelt, doch eines ist mir geblieben: der uneingeschränkte Zugang zur Musik. Auch heute nutze ich sie als Ventil, um gewisse Lebenserfahrungen zu reflektieren. Sie ist noch immer der Dreh- und Angelpunkt meines Wesens, auch wenn sich der Schwerpunkt meiner Arbeit momentan aufgrund der aktuellen Umstände, verschoben hat. Die Musik wird immer einen gesonderten Platz in meinem Herzen haben.

AreZou – „Melancholisch Moll“

Wenn ich Musik mache, kann ich mich selbst heilen,

und kompensieren, wer und was mir zugesetzt hat. 

Ich blicke hinter die Fassade aller Wunden, die ich trage, 

bis der Schmerz in mir verstummt.

AreZou – „Ohne Musik, ohne Sinn“

Ich weiß nicht, wer ich ohne dich bin,

wenn du mir wegbrichst, existiere ich ohne Sinn.

Wie Songs entstehen – Tipps fürs Songwriting

In den letzten 20 Jahren – also seit Beginn meiner ersten Songwriting Versuche – sind etliche Lieder entstanden. Fünf davon sind auf meiner ersten EP „Melancholisch Moll“ zu hören, auf die ich später noch eingehen werde … Oft werde ich in Interviews gefragt, wie ich an den Schreib-Prozess herangehe. Ob zuerst die Idee da ist, der Text oder die Melodie. Und wie ich das eine mit dem anderen verbinde.

Es ist gar nicht so leicht zu erklären, was beim Songwriting vor sich geht, weil der Zustand des Schreibens meist rauschartig ist. Es überkommt mich einfach, ohne dass ich Einfluss darauf habe. Und mit einem Mal ist er dann da. Ein kleiner Impuls, ein sich formender Gedanke, ein unerwarteter Denkanstoß. Manchmal zeigt er sich in Form eines einzigen Wortes, einer ausgeklügelten Zeile oder eben in Form einer prägnanten Melodie, die in meinem Inneren erklingt.

Intuitiv spüre ich deutlich, dass es wieder soweit ist und da etwas in mir sprechen möchte. Es fühlt sich an wie ein eindringlicher Weckruf, der solange in mir ertönt, bis ich aufstehe und nach einem Stift greife. Dann sprudelt es regelrecht in mir und vor lauter Input komme ich kaum noch hinterher all die Impulse in Worte zu fassen … Ein gutes Beispiel dafür ist mein Track „Herz aus Porzellan“, den ich nach der Trennung von meinem Freund geschrieben habe. Der Songtext ist in weniger als zwei Stunden entstanden.

AreZou „Herz aus Porzellan“

Rau, ergraut, gehemmt, kalt und abgehängt, 

viel zu oft verletzt und von Ängsten eingegrenzt.


So fühlt dein Herz aus Stein, trüb und schwer wie Blei. 

Doch ich bilde mir ein, ich könnte die Eine sein, 

die dein Herz wieder erweicht.


Doch dein Herz bleibt unzugänglich, während meines überwältigt 

von Gefühlen, seine Grenzen spürt.

Ich muss hier weg, denn mein Herz aus Porzellan 

hat soeben offenbart, was es ahnt, und es warnt.


Mein Herz, mein Herz, mein Herz aus Porzellan

schlägt Alarm, vor der großen Flut die naht.

Denn mein Herz, mein Herz, mein Herz aus Porzellan

wittert Gefahr, bitte bitte komm mir nicht zu nah.

Mir ist es schon in den abstrusesten Situationen passiert, dass ich urplötzlich eine Song-Eingebung hatte. Beim Autofahren, im Fitnessstudio, beim Feiern im Club, sogar während eines wichtigen Geschäftsmeetings. Und um eines klar zu stellen: Ich suche mir die Rahmenbedingungen nicht aus, es passiert einfach! Und wenn ich die aphoristische Momentaufnahme nicht zeitnah verewige, ist der Impuls genauso schnell wieder verflogen, wie er aufgetaucht ist.

Stell dir das wie mit einer Wolke vor, die gerade an dir vorbeizieht. Du kannst den Augenblick einfangen, indem du beispielsweise ein Foto erstellst. Lässt du dir allerdings zu viel Zeit, ist die Chance vertan, und von der Wolke bleibt keine Spur mehr übrig. Mit der Inspiration verhält es sich genauso. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele gute Ideen ich schon in den Sand gesetzt habe, weil ich zur richtigen Zeit am falschen Ort war.

Wenn ich mir kurz nach dem Einfall nicht umgehend Notizen mache, hat sich die Idee wieder verflüchtigt und ich kann mich an nichts mehr erinnern. Deshalb liegt mein Smartphone mittlerweile auch immer griffbereit neben mir. Selbst in der Nacht. Um jederzeit startklar zu sein, wenn mich die nächste Inspirationswelle durchflutet.

Tipps, um die richtige Sprache zu finden

Schreiben und Komponieren zu können, klingt für viele erstmal beneidenswert. Aber so einfach ist das Ganze nicht. Denn nicht immer gelingt es auf Anhieb, die richtige Sprache zu finden, um das, was sich im Inneren abspielt, auch angemessen nach außen zu tragen. Manchmal sitze ich vollkommen paralysiert vor einem weißen Blatt Papier, dass sich einfach nicht verzieren lässt.

Das kann mitunter sehr frustrierend sein und dazu führen, dass ich mich selbst versperre. Dieses Phänomen der „Schreibblockade“ ist übrigens weit verbreitet und nahezu jedem Songwriter bekannt. Doch man darf sich nicht entmutigen lassen. Im besten Fall gönnt man sich eine kleine Auszeit, um den Kopf wieder freizukriegen. Einmal ist es mir sogar gelungen, diesen inneren Missstand zu nutzen, um ihn metaphorisch in einem Song zu bebildern. Hier ein kleiner Auszug:

AreZou – „Herz und Verstand“

Kann nicht fühlen, was ich empfinde, nicht beschreiben, was ich denke.

Werde verfolgt von Gedanken, die viele große Sprünge machen.

Weiß nicht wohin mit mir, stehe teilnahmslos in einer Ecke,

Bin ausgeliefert, auf der Suche nach der eigenen Mitte.

Hab mich verlaufen im Gedankenlabyrinth,

unbeholfen und allein auf mich gestellt. 

Gefühle regen sich und nähern sich von Zeit zu Zeit,

Die Angst kreuzt meinen Weg und spielt mir einen Streich.

Es gibt aber auch das andere Extrem: Wenn man gedanklich derart ausschweift, dass man den Überblick verliert. Manchmal laufe ich beim Schreiben Gefahr, ein ganzes Sammelsurium an kunterbunten Textfetzen anzuhäufen. Dann gilt es zunächst einmal, wieder Ordnung ins Chaos zu bringen.

Ich möchte dir ein konkretes Beispiel aufzeigen. In meinem Song „Irgendwann Vielleicht“, der das wahllose Datingverhalten unserer Gesellschaft kritisch hinterfragt, hatte ich zu Beginn ganze DIN A4 Seiten vollgeschrieben. Ich hatte jede Menge Text vor mir liegen, obwohl ich nur einen Bruchteil davon tatsächlich verwenden konnte. Als Songwriter muss man daher früh lernen, abzuwägen und sich von Textzeilen zu verabschieden. Auch wenn es schwerfällt. 

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Was ich mit meinen Songs sagen will

Und das ist eben nicht nur ein technischer Prozess aus Zeilen zählen und Rhythmus abstimmen. Es geht wie jedes Mal natürlich auch darum, was ich wirklich als Songwriterin sagen will, was mir wichtig ist und was ganz authentisch tief aus meinem Herzen kommt. Und die Zeilen, die es schließlich in den Song geschafft haben, sind genau das – Gedanken, die mein Herz mir vorgibt:

AreZou – „Irgendwann Vielleicht“

Lass uns nicht über Gefühle sprechen, die bleiben lieber wo sie sind.

Wer will schon Emotionen wecken, wenn alles unverbindlich ist.


Wir sind verliebt ins Verliebtsein, vernarrt in die Tagträumerei.

Wir wiegen uns in Sicherheit, damit die Angst vor Verlust in uns heilt.


Wir können uns nicht entscheiden bei all den Möglichkeiten, die Auswahl ist groß.

Doch wenn alle Stricke reißen und wir zulange allein sind, pokern wir hoch.

Und hantieren mit ’ner Hand voll Optionen, bis die Maßlosigkeit uns einholt.


Unter Vorbehalt vergleichen, sortieren wir und filtern.

Wir sind durstig, doch wir trinken aus halbvollen Gläsern.


Wir zögern alles hinaus, solange wir können,

wissen nicht, was wir wollen, laufen lieber davon.

Wir haben uns zwischen Nähe und Distanz verrannt.


Wer weiß, vielleicht ist die Zeit nicht reif, reden wir uns ein.

Wir sind nicht bereit, uns festzulegen, aber irgendwann vielleicht.

AreZou – „Willkommen in meiner Welt“


Guten Tag, schön dich zu sehen,

komm doch noch ein Stückchen näher,

hereinspaziert, hereinspaziert.

Leg den Hut ab, ziehe die Schuhe aus,

lass die Sorgen draußen vor der Tür, wo sie hingehören.

Willkommen in meiner Welt, fühl dich wie Zuhause.

Hier verschmilzt die Zeit mit Grenzenlosigkeit.

Die Straßen führen dich wohin du willst,

wenn du bereit bist, sag Bescheid

Und ich begleite dich in meine Welt,

herzlich willkommen, herzlich willkommen.

Souzan Mortezai

Souzan Mortezai ist eine deutsch-iranische Journalistin, Songwriterin und Filmemacherin. Unter ihrem Künstlernamen „AreZou“ produziert sie deutschsprachige Musik (Genre: Melancholic Pop). Sie lebt in München und führt ein eigenes Musiklabel mit dem Namen „Melancholisch Moll Records“. Ihre gleichnamige EP „Melancholisch Moll“ ist überall auf allen großen Streaming-und Downloadportalen erhältlich. Mehr Infos zu ihrer Musik gibt es auf www.arezoumusik.dewww.youtube.com/c/arezoumusik und www.instagram.com/arezoumusik

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