Hast du auch schon davon gehört, dass alles etwas mit dir zu tun hat?
Wenn dich jemand beleidigt und du deswegen wütend wirst, dann gibt es da ein unerlöstes Thema in dir, was du noch bearbeiten solltest. Das hat was mit DIR zu tun, wenn du verletzt bist.
Wenn dein Partner immer wieder gewisse Triggerpunkte bei dir drückt, dann gibt es in dir noch Dinge, die du anschauen solltest. Das hat was mit dir zu tun, wenn du enttäuscht bist.
Und wenn deine Freundin sich Dinge raus nimmt, die dich zutiefst verärgern, hey, na klar, dann solltest du an dir arbeiten und deine inneren Themen auflösen.

Denn dann, wenn du deine inneren Themen bearbeitet hast, dann bist du „unverwundbar“ und nichts auf der Welt kann dich aus der Bahn werfen, geschweige denn etwas in dir antriggern, was du nicht fühlen willst.

Doch, ist das wirklich so? Ich meine, so wirklich wirklich? Und wäre das dann der richtige Weg? Und, vor allem, der EINZIGE Weg?

Für sich einstehen

Natürlich hat alles was mit uns zu tun. Natürlich hat es was mit uns zu tun, wenn wir traurig, wütend, enttäuscht oder verletzt sind. Aber heißt das unbedingt immer, dass wir uns noch optimieren sollten? Dass wir noch mehr innere Themen bearbeiten sollten? Dass wir noch „durchlässiger“ werden sollten?

Ich selbst bin diesem Irrglauben aufgesessen. Ich habe immer irgendwie gedacht, dass mit mir etwas nicht stimmt, wenn ich mich verletzt, enttäuscht oder verärgert fühle; dass mein inneres Kind sich zu Wort meldet (sich also kindliche Muster zeigen), ich nicht reflektiert genug bin oder noch zu sehr im Ego stecke. Denn warum sonst sollte ich manchmal diese Gefühle fühlen, die eher in die Kategorie „will ich nicht haben“ eingeordnet werden.
Und wenn dann Aussagen kommen wie  „das ist dein Ego“  oder „du musst noch an dir arbeiten“, fühlt man sich irgendwie unreif und schweigt lieber, damit die Anderen nicht merken, dass wir Emotionen haben. Doch ist das nicht sehr gefährlich? Beginnen wir dann nicht, einen Teil unseres menschlichen Daseins von uns abzulösen? Fehlt uns dann nicht ein Stück?

Allerdings sehe ich noch einen anderen Punkt sehr kritisch. Wenn wir glauben, wir müssen an unseren Themen arbeiten, bis uns „nichts mehr antriggert“ (weil wir dann erleuchtet sind ?), können wir dann eigentlich wirklich noch unsere eigenen Grenzen erkennen und auch setzen? Oder ist da ein Widerspruch? Ich habe tatsächlich schon erlebt, dass Menschen sich selbst „verlieren“ und das Gespür für die eigenen Bedürfnisse eintrocknet, wenn sie glauben, dass sie „triggerlos“ werden müssen, weil sie ja erst dann „erleuchtet“ sind.

Was ist denn ganz konkret mit unseren Werten? Mit unseren Bedürfnissen? Mit unseren Grenzen?

Um mal ein ganz einfaches Beispiel zu nennen.

Tina ist in einer on-off-Beziehung. Sie liebt ihren Partner. Und sie will nicht ohne ihn sein. Jedoch ist dieser Partnerschaft alles andere als bilderbuchmäßig. Es gibt viele Kleinigkeiten, die sie unglücklich machen. Zum Beispiel sagt ER manchmal Dinge, die sie verletzen. Und sie glaubt daraufhin, sie müsse noch mehr an ihren inneren Themen arbeiten, WEIL  JA ALLES WAS MIT IHR ZU TUN HAT. Sie leidet unter seiner Art der Kommunikation. Aber sie hofft ja, dass er sich automatisch mit verändern wird, wenn sie erst mal diese Themen aufgelöst hat. Sie denkt, wenn ihre alten Wunden geheilt sind, dann kann er sie nicht mehr in dieser Form antriggern und dann verändert sich die Beziehung. Das KANN natürlich sein. Wir dürfen so manche Wunder bestaunen, die geschehen, wenn wir unsere inneren Themen lösen und alte Wunden heilen. Aber das ist eben nicht immer der einzige und beste Weg.

Denn manchmal ist es auch einfach so, dass unser Gegenüber unsere Werte verletzt, über unsere Grenzen geht und wir deswegen einfach verärgert oder enttäuscht sind. Und DANN müssen wir keineswegs wieder in unser Schneckenhaus zurück gehen und uns fragen, was mit uns nicht stimmt. Nein, wir haben manchmal tatsächlich eine ganz andere Aufgabe.

Anstatt uns immer zu fragen, was mit uns nicht stimmt, dürfen wir uns erheben. Wir dürfen aufstehen und uns bewusst machen, welche Werte wir haben, was uns wichtig ist und welche „Bedingungen“ erfüllt sein sollten, damit wir zufrieden sind.

Tina, aus dem Beispiel oben, darf auch mal innehalten und sich fragen:

„Was ist mir in einer Partnerschaft eigentlich wichtig?  Wann war ich das letzte Mal in einer Partnerschaft so richtig happy und was war da anders? Welche Werte sind mir wichtig? Welche Grundbedürfnisse habe ich in einer Partnerschaft? Und kann ich mit DIESEM Partner diese Werte teilen (oder gibt es da einen gemeinsamen Nenner, mit dem beide gut leben können)?

Ja, es hat immer was mit uns zu tun, wenn wir uns fühlen, wie wir uns fühlen. Aber deswegen müssen wir nicht glauben, dass mit uns etwas nicht stimmt und wir NOCH MEHR innere Themen lösen müssen. Manchmal dürfen wir einfach mal wieder für uns einstehen. Und wir dürfen uns traurig, enttäuscht oder verärgert fühlen und dabei genau hinschauen, was eigentlich WIRKLICH gerade los ist.

Manchmal dürfen wir einfach Klarheit schaffen. Klarheit darüber, was uns persönlich wirklich wichtig ist. Und dann dürfen wir Grenzen setzen. Und wenn jemand willentlich über diese von uns gesetzten Grenzen drüber latscht, dann dürfen wir STOPP sagen; dann dürfen wir auch mal verärgert sein und unsere Zähne zeigen, ohne direkt wieder in den Irrglauben zu fallen, dass etwas mit uns nicht stimmt, weil wir verärgert sind.

Ja, es ist durchaus alles ok mit uns.

Wir dürfen stärker werden. Wir dürfen Grenzen setzen. Wir dürfen wir uns einstehen.Und, wir dürfen sogar mal eine Partnerschaft, eine Freundschaft, ein Arbeitsverhältnis, ein Familienmitglied etc. loslassen, wenn wir mit diesen Menschen sehr unglücklich sind. Manchmal sind die Werte der einzelnen Menschen eben NICHT kompatibel. Dann darf man das erkennen.

Wenn DU dich also beim nächsten Mal fragst, ob mit dir etwas nicht stimmt, dann frage dich doch einfach mal, wo dein Schmerz herkommt.
Ist es wirklich ein unerlöstes Thema?
Musst du dich wirklich noch optimieren?
Oder darfst du einfach mal wieder etwas mehr für dich einstehen?

Wenn dich das Thema bewegt, schreib mir am besten hier einen Kommentar.

 

Viele Grüße, Sabine.