Kamele, Oasen und ganz viel Sand – das sind meist die ersten Dinge, die uns zur Wüste einfallen. Doch wer sich wirklich in die sandigen Lande vorwagt, wird dort mehr finden: Er wird seine eigenen Grenzen kennenlernen, geistig und körperlich.

Sahara-Sommer – wenn die Meteorologen dieses Phänomen ankündigen, kommen wir innerlich direkt ins Schwitzen. Denn er verspricht heiße und trockene Tage, an denen uns die Sonne gefühlt schon zwei Meter nach der Haustür die Haut verbrennt. Doch was wir bereits als tropische Hitze empfinden, gehört an dem Ort, der dem Sahara-Sommer seinen Namen gibt, zu einem vollkommen durchschnittlichen Tag. Temperaturen um die 40 Grad Celsius erreichen wir – glücklicherweise – nur in der Spitze, in der Wüste sind sie dagegen ganz normal.

Dem Extremen ganz nah

Wer die Wüste einmal mit eigenen Augen sehen will, muss sich auf eine Begegnung mit dem Extremen einstellen. Denn so wie das ewige Eis im fernen Grönland bringt auch diese Welt aus Sand den Mensch an seine Grenzen. Körperlich und geistig. Ganz entgegen seiner Gewohnheit ist er hier nicht das allmächtige Säugetier, dass sich die Natur untertan machen kann wie es ihm beliebt.

Dem Sand seinen Willen aufzwingen zu wollen, ist ein müßiges Unterfangen. Vielmehr gibt hier Mutter Natur den Weg vor, ist es doch auch für sie noch einer der wenigen Orte auf der Welt, an dem sie sich nahezu ungestört entfalten kann. Für den Mensch, der sich in dieses Refugium vorwagt, bleibt dabei nur, sich dem demütig zu unterwerfen, zu staunen und zu akzeptieren, dass dort andere Regeln gelten als in der vom Mensch dominierten Zivilisation.

Das trockene Meer

Die Sahara ist die größte Trockenwüste der Erde. Mit über neun Millionen Quadratkilometern Fläche umfasst sie genauso viel Land wie die USA. Doch obwohl die Wüste so groß ist, bietet sie nur sehr wenigen Geschöpfen einen Lebensraum. Denn mit dem extremen Klima der Wüste kommen nur wenige zurecht. 40 Grad Celsius gehören dort zu einem Durchschnittstag. In der Spitze steigt der Wert im Sommer auf bis zu 60 Grad Celsius an – herkömmliche Thermometer zeigen solche Werte schon gar nicht mehr an.
So heiß die Tage, so kühl die Nächte: Um bis zu 30 Grad Celsius kann die Temperatur in der Nacht abfallen.

Der Mensch ist zwar recht anpassungsfähig, doch solche Schwankungen gehen auch an uns nicht spurlos vorbei. Im Kleinen spüren wir das auch in unseren Breitengraden. Springt das Thermometer von einem Tag auf den anderen ein deutliches Stück nach oben oder unten klagen viele Menschen über Kreislaufprobleme und Kopfschmerzen. So schnell konnte sich der Körper nicht umstellen. Wie mag das dann erst in der Wüste sein, wo sich solche Sprünge alle zwölf Stunden vollziehen?

„Wer die Wüste einmal mit eigenen Augen sehen will, muss sich auf eine Begegnung mit den Extremen einstellen.“

Reisenden, die einen Besuch in den sandigen Landen planen, wird in der Regel nahegelegt, dies in den ganz frühen Morgenstunden zu tun, wenn noch die „Kühle“ der Nacht über den Dünen liegt. Was man dann zu sehen bekommt, ist überwältigend: Ein Meer aus Sand, aufgetürmt in einer scheinbar willkürlichen Formation von Hügeln und Tälern, das sanfte Wellenmuster auf den Hängen, die zeigen, wie der Wind den Sand umhergetrieben hat.

Nichts bleibt in der Wüste bestehen


Es ist eine sehr sanfte Pinselführung, die Mutter Natur für ihr Werk gewählt hat. Es gibt keine Ecken und Kanten. Die Dünen folgen geschmeidig jedem Richtungswechsel, fallen plötzlich ab, nur um sich kurze Zeit später wieder meterhoch aufzutürmen. Die Wüste ist in ständiger Bewegung. Wo sich heute noch ein tiefes Tal durch eine Schlucht zieht, kann in wenigen Tagen bereits eine flache Ebene entstanden sein. Kein Wunder also, dass man schnell die Orientierung verliert, wenn man sich weiter in diese fast schon verwunschene Welt vorwagt, die doch so gleichförmig und Minuten später wieder ganz anders aussehen kann.


Fixpunkte gibt es kaum. Zwar finden sich in der Wüste neben Sand auch Geröll und Stein- bzw. Felsformationen, doch diese können in einem Sandsturm auch schonmal unter den zahllosen kleinen Körnchen verschwinden. Das trockene Klima macht es auch für die allermeisten Pflanzen unmöglich, fernab einer der nur spärlich gesäten Oasen zu überleben.

Kakteen oder auch besonders tief wurzelnde Bäume wie Akazien sind dazu in der Lage, doch auch sie brauchen bei aller Widerstandsfähigkeit irgendwann Wasser. Bei so viel Vergänglichkeit fühlt man sich als Mensch zwangsläufig ganz klein, bräuchte es doch nur einen Wink von Mutter Natur und auch wir könnten von den Sandmassen verschluckt werden, völlig lautlos.

Ohne Worte

Hat man einen Dünenkamm bestiegen und blickt sich um, wird einem noch etwas ganz anderes bewusst: die Stille. In der Wüste gibt es keinen Verkehr, keine hektischen Innenstädte und sieht man von diversen Reisegruppen ab auch keinen von Menschen erzeugten Lärm. Und selbst wer in einer solchen Gemeinschaft unterwegs ist, muss sich nur ein wenig von dieser entfernen, um sich der Faszination der Wüste ergeben zu können. Sie besticht durch Eleganz, Anmut und Erhabenheit, durch eine unnachahmliche Formensprache und ihre schlichte Würde. Sie braucht keine bunten Farben und keine Worte.

„Steht man still, kann man den Eindruck gewinnen, in einem Vakuum zu stecken, das alle Reize für unsere Ohren abschirmt.“

Das Knirschen des Sandes unter den eigenen Schuhen oder auch das sanfte Rieseln, wenn beim Aufstieg der Sand unter unseren Füßen losgetreten wird, sind die einzigen akustischen Signale, die auf uns wirken. Doch auch sie werden von uns selbst erzeugt. Steht man still, kann man den Eindruck gewinnen, in einem Vakuum zu stecken, das alle Reize für unsere Ohren abschirmt.

Ein flüsternder Sturm

Eine Ausnahme gibt es aber doch, denn im Zusammenspiel mit der Naturgewalt des Windes entfaltet die Wüste ihre ganze Kraft. Es ist zunächst oft nur ein leises Flüstern, dass durch die Täler der Dünen rollt. Auf eine kühle Brise braucht man fernab des Meeres nicht hoffen, selbst der Wind ist in der Wüste heiß.


Wenn der Wind auffrischt, beginnt in den trockenen Landen eine weitere Metamorphose. Denn auch die kleinsten Luftzüge vermögen es, den Sand weiterzutragen und neue Landschaften zu formen. Für den Menschen heißt es dann Obacht walten zu lassen und sich vor dem umherwirbelnden Sand zu schützen. Es ist ein sehenswertes Schauspiel, bei dem einem einmal mehr klar wird, an was für einem unwirtlichen Ort man sich befindet.

Aus dem kreativen Schöpfergeist wird aber auch schnell eine unbändige Zerstörungskraft, denn wird aus dem Flüstern ein brausender Orkan versinkt diese einzigartige Kulisse in einem Sandsturm, der alles überrollt, was seinen Weg kreuzt. Für Mensch und Tier gilt es dann gleichermaßen, sich in Sicherheit zu bringen, wobei die mächtigen Wolken auch vor Städten oder dem Meer nicht Halt machen.


Was aber bleibt, ist die Faszination: Hat sich der Sand erst einmal wieder gelegt und ist in den Dünen wieder Ruhe eingekehrt, finden wir eine völlig neue Welt vor. Die Natur hat uns ein völlig neues Bild gemalt, das es zu bestaunen gilt, bis sie ihren Pinsel erneut schwingt.

Dieser Artikel stammt aus dem AUSZEIT-Magazin, das noch viele weitere tolle Themen für Euch bereithält.

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