…sonst gehe ich, sagt das Problem. Probleme lieben es, wenn sich jemand um sie kümmert. Erst dann können sie richtig wachsen, sich über Dächer schwingen und ihre Schatten werfen. Probleme haben so eine Art narzisstischer Persönlichkeitsstörung. Je mehr Raum ihnen gegeben wird, desto wichtiger werden sie. Ich war immer Profi im Aufdecken und Vergrößern von Problemen und habe gerne das Ticket gezogen für die Dauerfahrt im gleichen Karussell. Ein Problem hat auch was von einem Baum, in den mit jedem Gedanken eine Kerbe geschlagen wird und mit jedem neuen Gedankenschlag wird die Kerbe tiefer.

Die meisten Probleme sind aber gar nicht so groß, wie sie erscheinen. Bereits das Wort Problem ruft gerne negative Konnotationen hervor. In ihm steckt so ein gewisser Schwierigkeitsgrad, dass es sich generell um etwas kaum Lösbares handelt. Das Problem ist problematisch, sonst wäre es kein Problem. Es macht Sinn aus dem Problem einfach eine Aufgabe zu machen. Es gibt große und kleine Aufgaben und sie alle haben eines gemeinsam: sie können in Teilbereiche gegliedert werden. Dafür muss man bereit sein, sich achtsam die Aufgabe mit ihren Einzelschritten etwas genauer anzusehen. Probleme lassen sich schwer lösen, wenn keine Bereitschaft vorliegt, die erforderlichen Schritte, die zur Lösung beitragen könnten, zu gehen. Der Mensch ist manchmal ein seltsames Wesen und trotz einem gut entwickelten Gehirn, das in der Lage wäre, Aufgaben zwecks Lösung rational anzugehen, macht er genau das Falsche – wissentlich. Gehen wir doch mal davon aus, dass das Problem seine Lösung im Handgepäck hat.

Ich habe monatelang darüber meditiert, wie es möglich sein kann, wieder gesund zu werden. Die Vorbedingung ist natürlich die Bereitschaft an eine Wiederherstellung der Gesundheit zu glauben und damit das Problem in die Freiheit zu entlassen. Das gelang mir noch irgendwie am Rande, trotz ärztlicher Prognosen, dass eine derartige Erkrankung nicht zu heilen ist.

Aber wie sollte ich gesund werden?

Der menschliche Geist ist auch träge. Schwerfällig zieht er an inneren Erkenntnissen vorüber. Es wäre ebenso möglich zu sagen: Der Mensch ist blind. Er ist vor allem da blind, wo er nicht sehen möchte. Wie ist es möglich anzunehmen, dass das Gewicht reduziert werden kann, wenn die Nahrung zu einem großen Anteil aus Zucker besteht? Die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen sind annähernd katastrophal. Ein Großteil ernährt sich mit Stärke: morgens Brötchen, mittags Nudeln, abends Reis. Gesunde Fette werden gemieden, weil die Nahrungsmittelindustrie uns weismachen möchte, dass Fette ungesund sind. Ungesund sind aber nur die Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker und Zuckeranteile in den sogenannten Low fat Produkten. Gesunde Fette führen in Wahrheit zum gewünschten Ergebnis einer Gewichtsreduzierung – bei gleichzeitigem Verzicht auf Massen von Kohlenhydraten. Durch Fett wird Körperfett abgebaut. Was für eine schöne Erkenntnis.

Auch ich war auf dem Trip locker an der Lösung meines Problems vorüberzuziehen. Meine Regeln zur Ernährung brach ich immer wieder aufs Neue. Obwohl ich in jeder Zelle spürte, dass Rohkost ideal für mich war, ließ ich mich immer wieder dazu verleiten, meinen selbstgebackenen Kuchen zu essen oder mir Schokolade aus dem Schrank zu holen. Das fühlte sich in meinem Bauch nicht gut an. Ich machte es trotzdem, meiner inneren Eingebung zum Trotz. Außerdem rauchte ich, durchaus deutlich reduziert, aber immerhin. Meine Meditation brachte mich nicht weiter auf dem Weg zur Klärung der Frage: Wie werde ich wieder gesund? Denn alles in mir wehrte sich gegen die einzig logische Antwort: Lebe gesund.

Nach einem langen inneren Kampf mit mir, in dem ich als Schriftstellerin auf mein Recht beharrte, frei handeln zu dürfen, beugte ich mich schließlich der Erkenntnis, dass die Entscheidung zu rauchen mit Sicherheit nichts zu meiner Freiheit beitrug. Das Gegenteil war der Fall. Ich war abhängig, eher in meiner Psyche als in meinem Körper. Immer mal wieder für ein paar Tage aufzuhören, führte bei mir nicht zu körperlichen Entzugserscheinungen. Der Entzug machte sich lediglich in meinem Kopf bemerkbar. Bereits als Kind war Trotz bei mir eine hervorstechende Eigenschaft. Was mir verboten wurde, reizte mich in der Ausführung um so mehr. Diese Trotzhaltung war mein Leben lang ein sehr hinderliches Verhalten. Indem ich sie in mir aufdeckte, fand ich eine neue Freiheit in mir: Die Freiheit mir achtsam zu begegnen und meinen Zustand deutlich zu verbessern.

Wenn sich ein Problem nicht löst, ist der Weg falsch

Ich glaube generell an die Lösbarkeit von Problemen und es ist erforderlich seinen Geist zu öffnen, um auch Lösungen in Betracht zu ziehen, die unmöglich erscheinen. Oft ist es erforderlich bei der Lösung eines Problems nicht nur einen Schritt zurückzugehen, sondern viele. Die Mechanismen sind immer die Gleichen. Komme ich bei einem Text nicht weiter, das habe ich mittlerweile begriffen, stimmt die Richtung nicht mehr. Für mich bedeutet das, an einen Punkt zurückzugehen, als der Text noch lief. Und manchmal gehe ich tatsächlich zum Anfang zurück und starte neu. Achtsamkeit heißt hinzusehen, auch das zu sehen, was lieber übersehen werden würde. Wir sind gerne bereit, an Lügen zu glauben. Lügen haben durchaus etwas Befreiendes. Sich einzureden, dass alles gut läuft, lässt den Alltag erträglicher erscheinen. Im Unterbewusstsein aber werden die Lügen als Lügen erkannt und sie entwickeln dort ihre eigene Wirkung: Selbstbetrug mit nachfolgender Unzufriedenheit, Wut, Zweifel und einem geschädigten Selbstwertgefühl. Das Selbst strebt nach Wahrheit, nach Entfaltung, nach bestmöglicher Vollkommenheit. Das Selbst lässt sich nicht täuschen und es gibt niemals auf, Wahrheit einzufordern, denn offenbar besteht das Streben des Menschen aus dem Ziel, zu wachsen. Wirkliches Wachstum ist aber nur möglich, wenn ein Einklang aus Seele, Geist, Körper besteht.

Es ist wünschenswert hinzuhören und eine Bereitschaft zu entwickeln, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Natürlich lässt sich nicht alles einfach ändern. Einen Job, dem nur nachgegangen wird, weil er das Leben sichert, bleibt eben ein Job, der nicht gerne ausgeführt wird, aber der erledigt werden muss. Trotz allem ist es möglich, auch diesem unliebsamen Job etwas an Freude abzugewinnen. Und es ist nicht nur möglich, sondern außerdem hilfreich. Im Unschönen Schönes zu erkennen, wirkt befreiend. Ein Leben nach dem Lustprinzip zu führen, macht das Leben lustvoll.

Ach ja: Ich rauche nicht mehr und esse meine Rohkost.